Dass sie zwei von Johann Sebastian Bachs sechs Solosuiten in das Zentrum des Programms gestellt hat, wird weiter nicht überraschen. Schließlich haben sie innerhalb der Cello-Literatur einen ähnlichen Status wie Beethovens Exemplar im Rahmen der Violinkonzerte aller Zeiten. Das Besondere von Lechners Auswahl liegt in der Erweiterung des Repertoires, in der Präsentation von Kompositionen Tobias Humes und Carl Friedrich Abels, die die Bach-Suiten einrahmen. […] Das Beiheft gibt Auskunft über die Herkunft der Cello-Literatur jener Jahre aus der Tradition der Viola da gamba, die nach und nach in Vergessenheit geriet und heute nur noch von Spezialisten gepflegt wird. Zurück vorwärts von der Gambe zum Cello: Lechners Strich ist weich, unaggressiv, grenzte es nicht an ein Klischee, würde man sagen wollen: weiblich. Stellenweise nähert sich der Klang der Orgel an. Man hat den Eindruck, als hörte die Künstlerin mehr Stimmen als sie auf dem spröden Instrument produzieren kann. Sie spielt sozusagen in einem imaginären Quartett. Eine wertvolle Würdigung einer Musikerin und ihres Instruments.
Thomas Rothschild, Kultura-extra
Anja Lechner, in Kassel geboren, steht mit ihrer Spielweise und mit ihrem Werk als eine Art Mittlerin zwischen den Jahrhunderten und Stilrichtungen. Aus der Welt der Klassik kommend zog es sie schon vor Jahrzehnten in die Randbereiche des Jazz und anderer außereuropäischer Musiktraditionen. Mit ihrem Rosamunde Quartett, das so wunderbare Werke wie ‘The Seven Last Words of our Saviour on the Cross’ von Joseph Haydn, oder Tigran Mansurians ‘String Quartets’ einspielte, ihre Duo-Aufnahmen mit Dino Saluzzi, Vassilis Tsabropoulos und Pablo Márquez oder die Aufnahmen mit dem Tarkovsky Quartet, alles zeugt von einer immensen Ausdruckskraft, von einer beeindruckenden Interpretationsfähigkeit und ihrer Kulturen verbindenden Persönlichkeit. Nun ist erstmals ein Soloalbum von der Cellistin erschienen, mit Kompositionen von Johann Sebastian Bach, Carl Friedrich Abel und Tobias Hume, aufgenommen in der Himmelfahrtskirche München. Anja Lechner zeigt zu diesen Vorgaben einen sehr respektvollen und formbewußten Zugang. Mit Kompetenz und Autorität, mit spürbarer Innigkeit und ohne störendes Pathos wird sie eins mit diesen Musikgeschichten. Es ist eine Intensität des Verinnerlichens, die hier zu spüren ist, eine würdevolle Interpretation, deren Emotionalität tief berührt. […] Eine der vielleicht bewegendsten Einspielungen in diesem Herbst.
Jörg Konrad, Kultkomplott
Die 1961 in Kassel geborene und in München lebende Cellistin hat viel Zeit auf den verschiedenen Schauplätzen des musikalischen Lebens verbracht. Sie hat improvisiert, hat mit dem Bandoneon-Virtuosen Dino Saluzzi duettiert, hat Neues uraufgeführt (darunter Kompositionen von Arvo Pärt) und ihre Fühler überhaupt in alle klanglichen und stilistischen Richtungen ausgestreckt. Davon profitiert ihre neue CD beim Label ECM Records beträchtlich. Lechner betrachtet das Cello nämlich aus der Perspektive seines Vorgängerinstruments, der Gambe – und sie integriert in ihre Deutung zweier Bach-Suiten (G-Dur und d-Moll) auch Kompositionen von Tobias Hume und Carl Friedrich Abel. Anja Lechner fuchtelt nun aber nicht herum, als wolle sie den Hume-Abel-Import als große und sonore Nummer verkaufen. Anderseits reduziert sie ihr Cello nicht auf eine näselnde Gamben-Imitation. Vielmehr spielt sie diskret, vollendet kammermusikalisch, fast sogar mit Understatement – und solcher Tiefsinn, der eher tastet als sägt, entdeckt erst recht die verborgenen Linien, die alle drei Musiker aus jenen fernen Zeiten untereinander verbinden. Ihren Bach spielt sie tatsächlich völlig entspannt, mit weltumspannendem Atem; die Sarabande aus der G-Dur-Suite ist ein expressiver Gesang ohne Schluchzer. Ihr Cello gibt zu erkennen, dass es aus einem Baum gefertigt wurde, der Stamm, Wurzel und feine Äste besaß. Und – wenn es in die Höhe geht – eine berückende Krone.
Wolfram Goertz, Rheinische Post
The cellist Anja Lechner has been such a bright star on the ECM firmament, that it’s hard to believe this is her first solo album for the label. Having engaged with musical traditions including tango, Armenian folk songs and Byzantine hymns, she now mines the deeply personal repertoire of viola da gamba music to reframe some of the most treasured works written for cello. Using a Baroque bow and a modern cello, Lechner brings the sighing, ruminative quality of a viola da gamba to some of the darker pages of Bach’s First and Second Cello Suites. In lyrical passages, the cello’s silky sound billows and yields as if controlled by breath; in fast movements, her articulation is airy and fleet.
Corinna da Fonseca-Wollheim, The New York Times
C´est assez rare d´avoir un disque qui peut nous emporter, pour violoncelle seul. La prise de son est très belle, les pièces sont variées, et on trouve, en plus, des chef-d´œuvres du répertoire. C´est une merveilleuse musicienne qu´on découvre ici.
Rodolphe Bruneau-Boulmier, France Musique (‘Disque du jour’)
Anja Lechner’s first solo album looks backwards from Bach and includes accounts of some of her own cello arrangements of viol repertoire. Using a Baroque bow throughout, she reproduces the varied colours and characters of selected ‘Phansies’ from Tobias Hume’s inventive ‘Musicall Humours’ with striking results. […] She also performs both works by Abel with the composer’s characteristic ‘discretion, taste and pathetic manner of expressing’ an Adagio (as described by Burney). Lechner’s readings of the two Bach suites attest to her technical precision, flexibility of tempo and poised, unforced bowing approach, particularly in passages involving multiple stopping. She highlights the implied harmonic progressions of the rhapsodic Preludes and consistently gives the music space to breathe.
Robin Stowell, The Strad
Lechner’s playing is communicative. The Hume pieces are engagingly rhetorical and capricious. The Arpeggio and Adagio of Abel come from one of his finest sonatas and are declaimed with concentrated introspection. In the Bach Suites lightly bowed articulation and conversationally punctuated dialogue do not disappoint.
Nicholas Anderson, BBC Music Magazine (Five stars!)
Bach steht im Zentrum dieses Albums, und das in aller Bescheidenheit. Denn Anja Lechners Bach-Spiel ist eins nicht: exzentrisch. Sie geht nicht her wie viele ihrer (männlichen) Kollegen und sagt: Mal schauen, was ICH als Interpretin aus diesen Leuchttürmen des Repertoires herausholen kann. An Spitzfingrigkeiten, rhetorischen Finessen, Krassheiten aller Art. Lechner verbeugt sich vor Bach, und sie tut das in einer hoch konzentrierten, sehr poetischen Natürlichkeit. Ein Cello-Ton wie ein Feuer in der Nacht: warm, sinnlich, unaufgeregt, frei. Und doch hört man bei Anja Lechner, wie intensiv sie sich mit der historischen Auffüh-rungspraxis beschäftigt hat, wie viel Alte Musik sie kennt und spielt und wie viel Neue und ganz neue. Und dass sie die Kunst der Improvisation beherrscht, immer auch improvisiert hat auf dem Cello. Nichts in ihrem Spiel ist unbedacht oder bloß irgendwie oder zufällig – und trotzdem klingt es wie aus dem Augenblick heraus musiziert. […] Fünf Sterne für diese stille, großartige, zur Einkehr in der Musik und bei sich selbst einladende Aufnahme.
Christine Lemke-Matwey, Südwestrundfunk
Das Murmeln eines Bachlaufs, im Wind säuselndes Espenlaub, Regentropfen auf einem Dachfenster, das hochsommerliche Zirpen von Grillen – das sind Klang-Archetypen, von denen Menschen unmittelbar und tief berührt sein können. Dem Cello Anja Lechners in der Münchner Himmelfahrtskirche gelingt das auch beim melancholischen Nachspüren von Klängen und Gestalten, gleichsam als Meditation über Leben und Tod. Für Cello transkribierte Stücke von Hume und Abel begegnen zwei der sechs Solosonaten für Violoncello von J.S.Bach. Lechner entlockt ihrem Instrument einen tiefen, reichen Klang, auf dunklem Grund glitzern Obertöne, die Gambe bleibt nur eine Erinnerung, die Cellistin spricht.
Andreas Kolb, Neue MusikZeitung
Conceptually, the idea here is that Lechner’s cello becomes the medium through which three composers, straddling three centuries, writing in entirely different contexts, are united around the story of the viola da gamba. […] Sitting at the programme’s heart are the first two Solo Cello Suites of JS Bach, their language still slightly informed by that of the solo viola da gamba repertoire, and interpreted by Lechner under the inspiration of that older solo instrument’s tonal language. Further blending of the centuries comes through her using a baroque bow with her modern cello. […] If you’re interested in a world in which the viola da gamba and cello repertoire smoothly, atmospherically blend, you’ll find plenty to enjoy here.
Charlotte Gardner, Gramophone
Weich und elastisch führt Anja Lechner den kurzen Barockbogen über die Saiten. Die Töne bekommen Luft zum Atmen, führen mal muntere, mal nebulöse Selbstgespräche. Anja Lechner richtet den Blick mit Hume auf die Zeit vor Bach und sie schaut mit Carl Friedrich Abel in die Zukunft. […] Anja Lechner verbindet die komplett unterschiedlichen Persönlichkeiten von Hume, Bach und Abel auf diesem Album. Bach erscheint so in einem neuen Licht.
Sylvia Schreiber, Westdeutscher Rundfunk
Hume, ein schottischer Komponist, der wohl während vieler seiner Lebensjahre im Hauptberuf Soldat im Dreißigjährigen Krieg war wird keineswegs als eine Art Bach- oder Purcell-Vorläufer besserwisserisch verhandelt. Anja Lechner feiert seine zuweilen übermütige, manchmal scheinbar im Widerspruch dazu melancholisch Feierlichkeit und seine weite, widerspruchsreiche emotionale Welt als Gegenstand einer höchst individuellen Musiksprache, und sie sucht keine zeittypischen Stempel dafür. Die klanglichen Gestaltungsweisen, die agogischen Freiheiten, die sie Hume (oder sich) gestattet, ihre dynamische Detailfreude legen eine raffinierte Rhetorik frei und eine Melodieführung und Rhythmus-Konzeption, die gern überraschen. Dass es sich hier um Kompositionen für die Gambe handeln muss, erkennt man an subtilen Qualitäten wie Tongebung und Spielhaltung.
Carl Friedrich Abel, der 1723 in Köthen im heutigen Sachsen-Anhalt geboren wurde und 1787 in London starb, war einer der letzten großen Gamben-Virtuosen der Musikgeschichte. Sein Vater übrigens gehörte zu Bachs Köthener Hofkapelle. Da während seiner professionellen Zeit das Violoncello sich von der Vorherrschaft der Gambe löste, kann man seine beiden Stücke auf dem Album – ein Arpeggio und ein Adagio, beide in d-Moll – als instrumentell weniger festgelegt begreifen. Das tut Anja Lechner auch. Gerade ihre reiche Erfahrung in der historisch informierten Aufführungspraxis hat sie gelehrt, dass es weniger auf das historisch korrekt gewählte Instrument ankommt als auf die Spielweise und die spezifische Art der Bewegtheit. Und dann Bachs Suiten für Violoncello solo. Vom ersten Takt an löst sich die Frage, ob Gambe oder Cello, buchstäblich auf in Wohlgefallen. Anja Lechner macht keine Virtuosinnen-Show, sondern nähert sich Bach mit großem Ernst und tiefer Bescheidenheit. Sie ist in der Lage, die feinen Bögen der Sangesweisen und die subtilen Verzierungstechniken der Gambe diskret in ihre Artikulationen am Cello einzubinden. So ist, in dieser Auffassung, Bachs Musik einmal mehr als universell gestaltet, die sich von der konkreten Wahl der Instrumentation befreit hat.
Hans-Jürgen Linke, Frankfurter Rundschau
It’s one of those recordings where the impression created by the performer rivals if not surpasses the material performed, in this case works by Tobias Hume (c.1579 – 1645), Johann Sebastian Bach (1685-1750), and Carl Friedrich Abel (1723-87). It’s not that the material is inferior (it assuredly isn’t) or that Lechner grandstands, but rather her playing is so compelling it captivates every moment. Performing works spanning two centuries, she couples short settings by Abel and Hume originally conceived for viola da gamba and newly arranged by her with renditions of the first two of the six solo suites Bach wrote for the violoncello. […] The baroque bow rests ever so comfortably in Lechner’s hand, and her command of the instrument is apparent in every authoritative gesture. […] Lechner’s subtle inflections pf phrasing, dynamics, and texture do much to distinguish these always nuanced interpretations.
Ron Schepper, Textura
Stavolta ne è protagonista una delle massime violoncelliste contemporanee, Anja Lechner, musicista a proprio agio sia con le partiture più rigorose, sia con l’improvvisazione. Nel suo primo lavoro per violoncello solo pubblicato da Ecm, Lechner cerca e trova il filo della storia che lega vita e opere di Hume a quelle di Carl Friedrich Abel, violista da gamba nato quasi ottant’anni dopo la morte del capitano, scom- parso del 1787, e pressoché contemporaneo di Johann Sebastian Bach, che nelle celebri sei suite per violoncello solo seppe magistralmente incorporare il portato storico della viola da gamba, all’epoca pur sempre d’uso comune. Forse pensando proprio al tocco di Abel, e notando, perdipiù, che il padre di Abel suonava nell’orchestra di corte di Kitten, diretta proprio da Bach. Simmetricamente rispetto al lavoro di Zanobini con la viola d’amore, Anja Lechner ha scelto di suonare il violoncello utilizzando un archetto barocco, avvicinandosi dunque al suono della viola da gamba. E un’altra curiosa simmetria sta nel repertorio di Hume scelto da Lechner: The First Part of Ayres, i medesimi studi sugli ‘stati d’animo’, messi a stampa nel 1605, indagati nel disco NovAntiqua. Tra le meraviglie di Hume messe in evidenza dal tocco magistrale di Lechner, Harke Harke: per la prima volta il Capitano prescriveva di eseguire certe parti percussive utilizzando la parte in legno dell’archetto, e non i crini: vera avanguardia, allora, come la probabile altra invenzione di Hume, il pizzicato sulle corde della viola da gamba. Quando si alza la polvere della storia, la musica antica scintilla.
Guido Festinese, Il Manifesto
Auf ‘Bach/Abel/Hume’ verbindet Anja Lechner Cello-Suiten von J.S. Bach mit Stücken von Carl Friedrich Abel (1723-1787) und Tobias Hume (1569-1645). Sie sind wie geschaffen für Lechners sinnliches, poetisches und kantables Spiel.
Miriam Damev, Falter
Dans les pièces de Tobias Hume, l´interprète en restitue avec sensibilité la mélancolie (‘An Answer’), les émotions à fleur de peau (‘Touch Me Lightly’),le fourmillement de la danse (‘Hit In The Middle’). Elle fait bouillonner l’Arpeggio et gémir l’Adagio avec intensité. Plutôt que d’accentuer les contrastes dans Bach (comme elle le fait dans la Courante de la BWV1008), elle défend une esthétique apaisée, privilégiant une certaine ampleur (Prélude de la BWV1007) et pouvant évoquer le rapprochement avec l’univers de la viole.
Jean-Christophe Puce, Diapason