‘It’s as if one were looking at a familiar piece of sculpture from an unusual angle; details that were previously half-hidden suddenly emerge at close range. A fascinating and often illuminating interpretation, and marvellously played to boot.’ Thus Geoff Brown in his London Times review of Schubert’s G-major Quartet, arranged for string orchestra by Victor Kissine. The same might be said of this recording by the Kremerata Baltica: music we think we know well reveals completely new facets. But now the perspective seems reversed: it is not the orchestral potential of great chamber music that Kremer is exploring with his young string orchestra, but a work for large forces – the Adagio from Mahler’s Tenth Symphony, heard with an intensity and concentration that only a string quartet or equally diaphanous chamber ensemble is normally capable of achieving.
Ten years have passed since Gidon Kremer founded a chamber orchestra consisting of the best young musicians from the Baltic countries – as a sort of present to himself on his 50th birthday, as he jokingly puts it. Today the orchestra is less interested in the standard repertoire than in meticulously examining extraordinary masterpieces of music history, no matter what their original scoring – from the string quartet to the symphony. Kremer deliberately seeks out these challenges and the perils they entail: ‘We want to push the works to maximum individual expression’, the 60-year-old violinist explains, ‘and we know that this can never result in a finished product. Any change of instrumentation, no matter how slight, alters the timbral coherence.’ Kremer is quick to point out that ambitious transcriptions only represent one part of the Kremerata’s work, which includes a steadily growing number of new commissions, especially from Baltic composers.
The Russian musicologist Inna Barsova, in her accompanying essay, refers to the intrinsic similarity of the two works on our CD: ‘The Tenth Symphony of 1910 is Gustav Mahler’s unfinished final composition. Dmitri Shostakovich, it is true, wrote another symphony two years after the Fourteenth, but in 1969, the year of his serious illness, he was firmly convinced that the Fourteenth would mark the end of his musical oeuvre.’ It is no coincidence that both symphonies are late works, musical confessions which, like Schubert’s G-major Quartet, probe the limits of musical expression and the human condition. To quote Kremer: ‘I find myself increasingly drawn to the maturity and finality of late works and late thoughts – this mastery conjoined with maximum economy of means.’
Mahler, as interpreted by Walter, Kondrashin or Bernstein, has always held out a special fascination for Kremer although, being a soloist, he was unable to play any of his works himself (apart from an early movement for piano quartet). He therefore turned all the more readily to Hans Stadlmair’s arrangement of the 1970s for fifteen strings, an arrangement that the Kremerata has touched up in details and enlarged to 21 instruments. The first performance of this new version was given in Lockenhaus several years ago, conducted by Kent Nagano.
Just how sceptically Kremer viewed Shostakovich’s music as a young man is described in his autobiography, Zwischen Welten: ‘At that time I found much of it conservative and unappealing, but today the late works in particular are, I feel, among the most intensive and moving things written in the 20th century.’ The Kremerata first rehearsed the Fourteenth with Kremer’s lifelong friend Woldemar Nelsson, with whom he had made his début recording of the Beethoven concerto in 1974 (Nelsson died in November 2006 at the age of 68). Owing to its huge rhythmic difficulties, Kremer considered the work virtually unperformable without a conductor. This exciting live recording, with Kremer conducting from the concertmaster’s desk, was made in the auditorium of the Vienna Musikverein during a long tour.
„Es ist, als sehe man eine vertraute Skulptur aus einem ungewohnten Blickwinkel; bisher halb verdeckte Details rücken ganz nahe: Eine faszinierende und oft erhellende Interpretation, zudem wunderbar gespielt.“ Der Eindruck, den Geoff Brown in der Londoner Times in seiner Rezension über die Einspielung des späten G-Dur-Quartetts von Schubert (in der Streichorchesterfassung von Victor Kissine) beschrieb, lässt sich in Bezug auf die vorliegende Aufnahme der Kremerata Baltica erneuern: Musik, die man genau zu kennen vermeinte, gibt völlig neue Facetten preis. Die Perspektive erscheint nun allerdings umgekehrt: Nicht die orchestralen Potenziale eines großen Kammermusikwerks erkundet Kremer mit seinem jungen Streichorchester. Vielmehr wird ein groß besetztes Werk, das Adagio aus Mahlers zehnter Sinfonie, in einer Intensität und Konzentration erfahrbar, wie sie für gewöhnlich nur ein Quartett oder ein ähnlich transparent besetztes Kammerensemble herstellen kann.
Zehn Jahre ist es her, dass Gidon Kremer ein mit den besten jungen Musikern aus den baltischen Staaten besetztes Kammerorchester gründete – als eine Art Geschenk an sich selbst zum 50. Geburtstag, wie er scherzhaft sagt. Bis heute ist es weniger am Standardrepertoire interessiert als an der skrupulösen Auseinandersetzung mit außerordentlichen Meisterwerken der Musikgeschichte, egal für welche Besetzung sie konzipiert sein mögen, vom Quartett bis zur Sinfonie. Kremer sucht diese Herausforderungen und das damit verbundene Risiko. „Wir wollen die Werke zum maximalen individuellen Ausdruck treiben, und wir wissen, dass dabei nie ein fertiges Produkt entstehen kann. Jede noch so kleine Umbesetzung verändert das klangliche Gefüge“, sagt der 60-Jährige, der Wert darauf legt, dass ambitionierte Transkriptionen immer nur einen Teil der Arbeit der Kremerata ausmachen – neben einer stetig wachsenden Zahl von Auftragswerken insbesondere von Komponisten aus den baltischen Staaten.
In ihrem Begleittext zu dieser CD weist die russische Musikwissenschafterin Inna Barsova auf die innere Verwandtschaft zwischen den beiden hier eingespielten Werken hin: „Die zehnte Sinfonie aus dem Jahr 1910 ist das unvollendet gebliebene letzte Werk Gustav Mahlers. Dmitri Schostakowitsch sollte zwei Jahre nach der vierzehnten zwar noch eine weitere Sinfonie schreiben, doch 1969, in der Zeit einer schweren Krankheit, arbeitete er in der festen Erwartung, mit dieser sein Œuvre zu beschließen.“ Es ist kein Zufall, dass es sich, wie schon bei Schuberts G-Dur-Quartett, um Spätwerke handelt, um Bekenntnismusik also, die existenzielle und somit expressive Grenzbereiche berührt. „Immer häufiger stelle ich fest, dass mich die Reife und Endgültigkeit später Werke und später Gedanken sehr anzieht, diese Meisterschaft in Verbindung mit größter Ökomomie“, sagt Kremer.
Mahler hat ihn seit jeher besonders fasziniert – in Walters, Kondraschins und Bernsteins Interpretationen –, obwohl er als Solist (vom frühen Satz für Klavierquartett abgesehen) keines seiner Werke aufführen konnte. Umso willkommener griff er Hans Stadlmairs Fassung für 15 Streicher aus den 70er Jahren auf, die die Kremerata in Einzelheiten korrigiert und auf 21 Instrumente erweitert hat. Die erste Aufführung dieser Version fand unter Leitung von Kent Nagano vor einigen Jahren in Lockenhaus statt.
Wie skeptisch Kremer andererseits in jungen Jahren Dmitri Schostakowitsch gegenüberstand, ist schon seiner Autobiographie „Zwischen Welten“ zu entnehmen. „Während ich damals, vieles konservativ und wenig ansprechend fand, gehören gerade die späten Stücke heute für mich zum Intensivsten und Berührendsten, was im 20. Jahrhundert geschrieben wurde“, sagt der Geiger. Die 14. Sinfonie studierte die Kremerata zunächst mit Woldemar Nelsson ein, einem langjährigen Freund Kremers – 1974 hatte er mit ihm seine erste Aufnahme des Beethoven-Konzerts eingespielt –, der im November 2006 im Alter von 68 Jahren verstarb. Auf Grund der immensen rhythmischen Schwierigkeiten hielt Kremer das Werk ohne Dirigenten kaum für aufführbar. Die mitreißende Live-Aufnahme, bei der Kremer das Orchester vom Konzertmeisterpult aus leitet, entstand im Wiener Musikvereinssaal im Zuge einer längeren Tournee.