György Kurtág: Six moments musicaux & Officium breve / Antonín Dvořák: String Quintet op. 97

Parker Quartet, Kim Kashkashian

EN / DE
On their ECM New series debut, the Boston-based Parker Quartet, hailed by the Washington Post for “exceptional virtuosity and imaginative interpretation,” play music of György Kurtág and are joined by violist Kim Kashkashian, one of the quarter’s early mentors, to play Dvořák. In this powerful programme of contrasts, Dvořák’s outgoing String Quintet No. 3, composed in America in 1893, is framed by two of Kurtág’s concentrated, meticulously-shaped works – the Six Moments musicaux (2005) and the Officium breve in memoriam Andreae Szervánszky (1988/89). Throughout, the Parker Quartet’s feeling for colour and texture is in evidence. The quartet’s insights into Kurtág’s soundworld have been developed through extensive work with the Hungarian composer. The album was recorded at Zürich’s Radio DRS Studio.
Auf seinem ECM New Series Debütalbum spielt das Parker Quartet aus Boston, das von der Washington Post für seine "Meisterschaft und phantasievolle Interpretationskunst" gelobt wird, Werke von György Kurtág sowie von Antonín Dvořák – letzteres gemeinsam mit der früheren Mentorin des Quartetts, der Bratschistin Kim Kashkashian. In diesem kraftvollen Programm der Kontraste wird Dvořáks Streichquintett Nr. 3, das 1893 in Amerika komponiert wurde, von zwei konzentrierten, akribisch geformten Werken Kurtágs eingerahmt – den Six Moments musicaux (2005) und dem Officium breve in memoriam Andreae Szervánszky (1988/89). Das besondere Gespür für Kurtágs singuläre Musiksprache ist nicht zuletzt das Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit mit dem ungarischen Komponisten. Das Album wurde im Studio des Radio DRS in Zürich aufgenommen.
Featured Artists Recorded

November 2018, Radio Studio DRS, Zürich

Original Release Date

22.10.2021

  • Six moments musicaux op. 44
    (György Kurtág)
  • 1Invocatio [un fragment]01:30
  • 2Footfalls ...mintha valaki jönne...02:46
  • 3Capriccio01:32
  • 4In memoriam Sebõk György03:35
  • 5... rappel des oiseaux ... [étude pour les harmoniques]02:31
  • 6Les adieux [in Janáčeks Manier]02:48
  • String Quintet No.3 in Eb major op. 97
    (Antonín Dvořák)
  • 7Allegro non tanto09:30
  • 8Scherzo, Allegro vivace05:58
  • 9Larghetto10:05
  • 10Finale, Allegro giusto08:34
  • Officium breve in memoriam Andreæ Szervánszky op. 29
    (György Kurtág)
  • 11Largo00:25
  • 12Più andante00:44
  • 13Sostenuto, quasi giusto00:40
  • 14Grave, molto sostenuto00:32
  • 15(Fantasie über die Harmonien des Webern-Kanons). Presto00:42
  • 16(Canon a 4). Molto agitato00:20
  • 17Canon a 2 (frei nach op. 31/VI von Webern). Sehr fliessend00:39
  • 18Lento00:38
  • 19Largo00:56
  • 20[Webern: Kanon a 4, (op. 31/VI)]. Sehr fliessend02:21
  • 21Sostenuto02:39
  • 22Sostenuto, quasi giusto00:41
  • 23Sostenuto, con slancio01:06
  • 24Dispertao, vivo00:48
  • 25Arioso interrotto (di Endre Szervánszky). Larghetto01:14
Unter Kurtágs strengen Urteilen und Direktiven stöhnten seine Studenten und Interpreten nicht selten, vor allem aber profitierten sie Davon – darunter das vielfach dekorierte amerikanische Parker Quartet, dessen Spiel die gänzliche Zufriedenheit des Meisters gefunden haben dürfte. Es bringt die Zyklen, die ihre Kürze schon im Titel tragen – ‘Moments musicaux’, ‘Officium breve’ – in jedem der kostbaren Augenblicke zum Sprechen, präsentiert diese Kurzprotokolle besonderer Befindlichkeiten mit äußerster, mimosiger Wachheit: All diese Vogelrufe, Hommages an Bach und Webern, Nachrufe auf Freunde, gläsernen, verwehten und harschen Klänge sind und bleiben Psychogramme der Menschlichkeit. In Dvořáks Opus 97 gesellt sich Kim Kashkahian, einer ihrer Mentorinnen, zu den Parkers: Das amerikanisch-böhmisch-wienerische Amalgam blüht und gedeiht in diesen Händen lebensfroh, terzen- und sextenselig, rhythmisch pikant und tonlich exquisit.
Rainer Peters, Neue Zeitschrift für Musik
 
Fast 20 Jahre besteht inzwischen das Parker Quartet. Nun vereint es auf seinem neuen Album die beiden letzten Streichquartette von György Kurtág und das Es-Dur-Streichquintett op. 97 von Antonín Dvořák. Die unterschiedlichen stilistischen Herausforderungen meistert das Ensemble mühelos. Das gilt auch für die beiden sehr verschiedenen Werke von Kurtág. Während die ‘Moments’ etwas längeren Atem besitzen, bleiben die Abschnitte des ‘Officium’ miniaturistisch kurz. Kim Kashkashian verstärkt das Parker Quartet bei Dvořák. Alle fünf Musiker präsentieren sich als spieltechnische und gedankliche Einheit. Mal melancholisch, mal ungehemmt spielfreudig, und immer mit genauem Fokus darauf, die Grenzen des geschmacklich Verträglichen nicht zu überschreiten. So ist eine sehr sinnliche, dynamisch fein abgestimmte Aufnahme entstanden, deren Spannungsverhältnis sich durch die Programmauswahl ergibt.
Christian Lahneck, Concerti
 
Beide Stilistiken – Aphorismus und Epik – können mit diesen exzellenten Interpretationen komplementäre Gleichberechtigung beanspruchen.
Hans-Dieter Grünefeld, Musik & Theater
 
The sparse music of György Kurtág and the precise, intense sound of the Parker Quartet are both ideally suited to the engineering world of the ECM label, and just looking at this release, one is reasonably sure of a satisfying experience of contemporary music, but it’s even better than one might expect. The Parker Quartet constructs an intelligent program […] In the Parker Quartet’s performance, these short movements are pregnant with meaning. […] The best reason to hear this album is that the performance of the Dvořák is superb, one of the very best available. The world is full of phoned-in performances of standard repertory by musicians who can’t wait to get to the contemporary stuff, but that does not happen here. The players let the music breathe and give plenty of room to the melodic material shaped by African American and perhaps Native American music. Both exacting and affecting, this is a superior release.
James Manheim, All Music
 
Berührend – eine Aufnahme, mit der das Ensemble zeigt, wie fein und dabei kontrolliert es Klänge generieren kann – von fahl bis hell-gleißend.
Rainer Elstner, Österreichischer Rundfunk
 
Mit diesem 1989 vollendeten Zyklus, den Kurtág dem ungarischen Webern-Experten Endre Szervánszky widmete, beschließt das amerikanische Parker Quartet nun sein jüngstes Album. Und wie bei den ebenfalls zu hörenden ‘Six moments musicaux’ op. 44 von Kurtág spüren die vier Musiker packend und dabei seismografisch genau den musikalischen Wesen, Stelen und Gedanken des ungarischen Altmeisters nach. In ganz andere Sphären bricht man zwischendurch mit Dvořáks Streichquintett Nr. 3 op. 97 auf, für das man sich die Bratschistin Kim Kashkashian mit ins Team geholt hat. Und gemeinsam präsentiert man mit all den herrlichen Melos-Bögen und dem volksmusikantischen Elan nun einfach wunderbarste Herzensmusik.
Guido Fischer, Rondo
 
Erstaunlich, wie mühelos das Parker Quartet den stilistischen Wechsel vollzieht, von der technischen Mühelosigkeit einmal abgesehen. Kurtágs Werk ist insgesamt reich an musikalischen Reminiszenzen – das ist bei den hier vorgestellten Quartetten nicht anders. Das Parker Quartet ist nicht darauf aus, einen imitatorischen Klang zu erzeugen, der die Bezüge hervorhebt; wir hören originalen Kurtág mit all seinen Anspielungen, ob in den etwas längeren Abschnitten der ‘Moments’ oder in den miniaturistisch kurzen Stücken des ‘Officium’. In wenigen Takten eine Dramaturgie so zu verdichten, dass der Eindruck entsteht, die Sätze seien in Wahrheit viel länger, das ist die Kunst, die das Parker Quartet blind beherrscht.  Es sind die dynamischen Auf- und Abschwünge wie beim Schweller einer Orgel, die kleinen rhythmischen Attacken, mit denen das Ensemble überzeugt. Bei Dvořák treffen die fünf Musiker den richtigen Ton, zwischen Melos und Spielmannslust, nie jedoch ins Derbe abdriftend. Hier wird auffallend fein musiziert!
Christoph Vratz, Fono Forum
 
Seine dialogfähige Ausdruckskraft lässt das Album zu einem nicht einfachen, aber die Mühe der Erschließung lohnenden Musik-Erleben werden, das alle Mitwirkenden mit geistiger und spielerischer Bestform beflügelt.
Roland Dippel, Crescendo
 
Wer unter Herzenskälte und Konzentrationsmangel leidet, wird hier geheilt. Für immer.
Christine Lemke-Matwey, Die Zeit
 
With a pert, upbeat sound, Dvořák’s first movement shines with optimism and sprung rhythms. The precision and joie de vivre continue in the rustic second movement, and the poise of the Larghetto variations movement contrasts with the good-natured jolliness of the Finale. But it’s the spare, perfectly crafted sound world of Kurtág that draws the best playing. The 15 micro movements of ‘Officium breve’ (1988–9) are austere and uncompromising but the performance is fearless yet probingly beautiful. In the ‘Six moments musicaux’ (2005), the Parker Quartet – brilliantly captured in this recording – conjures a kaleidoscopic, post-Expressionistic range of mood and atmosphere, ranging from searing vertical sheets of dissonance to barely perceptible glowing half-lights. The result is nothing short of astonishing.
Edward Bhesania, The Strad
 
Kühn gespielte Bekenntnismusik der feinsten Gesten und unheimlichsten Effekte.
Christian Berzins, Luzerner Zeitung
 
If you wanted to make the point that 21st-century string quartet-playing is defined by a virtuosity so agile that it’s indistinguishable from the process of emotional expression, you’d be hard-pushed to find a better illustration than this new album from the Parker Quartet. Recorded at Radiostudio DRS in Zurich, the sound has a spaciousness and an unsparing clarity whose coolness is offset by the freedom it gives the performers to respond to the music, in playing of often astonishing colour, subtlety and dynamic range.
Richard Bratby, Gramophone
 
Kurtágs dialogfähige Ausdruckskraft lässt das Album zu einem nicht einfachen, aber die Mühe der Erschließung lohnenden Musik-Erleben werden, das alle Mitwirkenden mit geistiger und spielerischer Bestform beflügelt.
Roland Dippel, Crescendo
 
Es sind die dynamischen Auf- und Abschwünge wie beim Schweller einer Orgel, die kleinen rhythmischen Attacken, mit denen das Ensemble überzeugt. Bei Dvorák treffen die fünf Musiker den richtigen Ton, zwischen Melos und Spielmannslust. Hier wird auffallend fein musiziert!
Christoph Vratz, Fono Forum
 
Die Gegensätze könnten kaum größer sein: hier die knapp formulierte, gleichsam ums Sprechen-Können ringende Musik des nun 95 Jahre alten Ungarn  György Kurtág, dort das leicht hinfliessende, scheinbar mühelos musikantische Streichquintett des Tschechen Antonin Dvorák. […]  Die Musikerinnen und Musiker bringen die höchst unterschiedlichen Stillagen voll zur Geltung. Deutlich wird in dieser Zusammenstellung aber auch, wie viel hochgeladene expressivität in Kurtágs Musik steckt, sie entfaltet sich einfach nicht wie bei Dvorák in der Zeit, sondern konzentriert sich in kurzen Gesten. […] Wunderschön und beklemmend ist zum Schluss jenes Arioso interrotto – ein mittendrin abreissender Gesang.
Thomas Meyer, Jazz’n’more
 
In a program of contrasts, the musically sensitive Boston-based Parker Quartet plays the music of György Kurtág with virtuoso panache, and are joined by their mentor, violist Kim Kashkashian, in an Antonín Dvořák work in their ECM New Series debut. […] Composed in three days in Spillville, Iowa in 1893, Dvořák’s lyrical work differs from his other quintets in his use of two violas and also in its formal straightforwardness: there’s little development of thematic material and extensive repetition. The Parker Quartet’s feeling for instrumental colour, texture and attention to detailed ensemble work is evident from the first measure. The same can be said about the quartet’s performance insights into Kurtág’s scores, developed through extensive work with the senior Hungarian composer. I was particularly moved by the Parker’s riveting rendering of Kurtág’s brilliantly intense 15-section ‘Officium Breve in Memoriam…’ Even as they mirror the concision of each miniature movement, paradoxically the music becomes even more static, timeless – and elegiac.
Andrew Timar, The Whole Note
 
The ‘Moments musicaux’ show Kurtág’s uncanny ability to create and sustain an immediate mood: most of them come in at under three minutes, but feel much bigger in their emotional reach, helped by the extraordinary dedication and understated virtuosity of the Parker Quartet. Whether it’s in the incisive attack of the opening Invocation, the passionate mourning in the memorial to the pianist György Sebök, or the precise harmonics in ‘Rappel des oiseaux’, they identify completely with the music. […] It’s quite a shock to return to the Kurtág, and the 15 pieces which make up the ‘Officium breve’, a memorial to the composer Endre Szevervánsky. Reminiscences of one of his early tonal works surface from time to time, as do direct references to Webern, and there’s a cumulative power in the juxtaposition of the disparate elements. Movements are even shorter than in ‘Moments musicaux’, and find the Parker Quartet again in their element, with an enormous tonal and dynamic range.  
Martin Cotton, BBC Music Magazine
 
Dieses Ensemble trifft durchweg den richtigen Ton, zwischen innigem Melos, zurückgenommener Innenschau und herrlicher Spielmannslust. Es ist erstaunlich und faszinierend wie das Parker Quartet scheinbar mühelos diesen musikalischen Brückenschlag gestaltet […] Die intensive Zusammenarbeit mit dem ungarischen Komponisten mag auch Vertrautheit und Gespür im Umgang mit Kurtags Musik unterstützt haben. Die vier Musiker schärfen die assoziationsreichen Miniaturen und machen sie sich ganz selbstverständlich zu eigen.
Meret Forster, Bayerischer Rundfunk
EN / DE
At first glance, the pairing of the two composers chosen by the Parker Quartet and violist Kim Kashkashian for their recording on ECM New Series may appear unusual. However, György Kurtág and Antonín Dvořák have more in common than a fleeting glimpse at their oeuvre – an extremely narrow, concentrated catalogue of works in the one case and a multifaceted life’s work that lavishly encompasses all musical genres in the other – would suggest.
 
There is no question that György Kurtág and Antonín Dvořák are creators of eminent chamber music works.  Dvořák wrote thirty-one works in this field (not counting the two serenades and some lost pieces), the most generously represented genre being the string quartet with fourteen works, in addition to the three quintets, one sextet, two tercets and others, all intended for pure string ensembles. Even greater still is the proportion of chamber music works in Kurtág’s oeuvre, although his orchestral works were often written for smaller ensembles and reduced instrumentations. Ultimately, the intimate, austere quality of chamber music is more in keeping with Kurtág’s artistic nature, who thinks less in terms of large formats, but rather developed his own unique style with sound material reduced to microscopic cells.
 
For the present recording, their first for ECM, the Parker Quartet combines the Six moments musicaux op. 44 and the Officium breve op. 28 – Kurtág’s String Quartets Nos. 3 and 4, if you will – with Dvořák’s String Quintet No. 3 in E-flat Major op. 97, for which Kim Kashkashian has taken over the second viola part.  And here, within the musical facture, the compositional means, in the sound complexion, the paths of these two composers, who represent two musical eras, diverge.
 
As with basically all the works of György Kurtág, who scrupulously concentrates and condenses the means and tools of composition, these two string quartets are made up of the smallest musical gestures, timbres and fragments – all of convincing consistency. They are replete with allusions to persons close to him, works and events of the past and present, from which the composer’s aesthetic points of orientation can be derived: Beethoven, Olivier Messiaen, the pianist and piano teacher György Sebök, the Hungarian poet Endre Ady, Samuel Beckett, Leoš Janáček. And Anton Webern, of course, with his minimum of notes and maximum of expression as a consequence.   
 
These examples of sonic artistry, concentrated around the essential, frame Antonín Dvořák’s late String Quintet in E-flat major, op. 97. Like the other works written at the same time, during the composer’s "American period", its attractiveness hails from the natural, almost blossoming melodicism as well as the concise rhythm.  Brahms, the Czech composer’s mentor of many years, took note of Dvořák’s unpretentious sense for melody, and his apparently never-ending power of invention.
 
*
 
The Parker Quartet quickly established itself as one of the leading ensembles on the international stage after its founding in Boston in 2002. The four alumni of the New England Conservatory of Music and the Julliard School have been artists in residence at Harvard University for over six years and have performed at renowned venues such as Carnegie Hall, Lincoln Center, Wigmore Hall in London, Concertgebouw Amsterdam and the Vienna Musikverein. In the course of its existence, the quartet has been honoured with various awards, including the Grand Prix and the Mozart Prize of the Bordeaux International String Quartet Competition. Alongside the Cleveland Quartet and Rainer Schmidt (Hagen Quartet), Kim Kashkashian and György Kurtág are among the most important mentors of the ensemble, whose main focus lies on the interpretation of contemporary works, many of which are written in close collaboration with the respective composers. Such projects include the 2011 recording of works by György Ligeti, which won the Grammy award for Best Chamber Music Performance.
 
Kim Kashkashian is one of the most distinguished viola players and sought-after teachers in the world today.  Her teaching career has taken her to the University of Indiana in Bloomington, the Mannes School of Music in New York, the conservatories in Freiburg and Berlin and, since 2000, the New England Conservatory in Boston.  Collaborations with numerous composers have added significant works to the narrow repertoire for the viola and have received their world premiere through Kim Kashkashian.  Many of Kim Kashkashian’s recordings, released on ECM New Series for the past thirty years, have won international awards, including a Grammy in 2013 for her recording Music for Viola with works by György Ligeti and György Kurtág. In the same year, she was honoured with the George Peabody Medal for her outstanding contribution to music in America.
 
CD booklet includes liner notes by Paul Griffiths in English and German
Auf den ersten Blick mag die Zusammenführung der beiden Komponisten, die das Parker Quartet und die Viola-Spielerin Kim Kashkashian für ihre jüngste Einspielung bei ECM New Series gewählt haben, befremdlich wirken. György Kurtág und Antonín Dvořák eint jedoch mehr, als es die flüchtige Begutachtung des Oeuvres – ein überaus schmaler, konzentrierter Werkkatalog im einen und ein vielseitiges, alle musikalischen Genres üppig umfassendes Lebenswerk im anderen Falle – erahnen läßt.
 
Man kann das Vereinende auch daran erkennen, welches Werk die beiden Künstler für würdig erachtet haben, die Opus-Zahl 1 ihres offiziellen kompositorischen Schaffens zu tragen. Denn Opus 1 ist ein Ausrufezeichen. Mit ihm stellt sich ein Komponist zum ersten Mal der Öffentlichkeit vor. Dass der radikale György Kurtág im Alter von dreiunddreißig Jahren ein zweites Mal als Komponist begann und den Neuanfang  demonstrativ mit einer neuen Zählung verband, ist eine bemerkenswerte Pointe der jüngeren Musikhistorie. Und sie passt zu Antonín Dvorák. Denn György Kurtág fing sein (zweites) Schaffen 1959 mit einem Streichquartett als op.1 an,  Antonín Dvořák 1861 seine kompositorische Laufbahn mit einem  Streichquintett, ebenfalls als op. 1.
 
Keine Frage, György Kurtág und Antonín Dvořák  gehören zu den Schöpfern eminenter Kammermusikwerke.  Dvořák schrieb auf diesem Gebiet (die beiden Serenaden und einige verschollene Stücke nicht mitgerechnet) einunddreißig Werke, wobei die am reichsten vertretene Gattung  das Streichquartett mit vierzehn Werken darstellt, hinzu kommen für ein reines Streicherensemble die drei Quintette, ein Sextett, zwei Terzette u.a. Gewichtiger noch ist der Anteil an Kammermusikwerken im Gesamtschaffen von Kurtág, wobei seine Orchesterwerke oft auch für kleinere Ensembles und reduzierte Besetzungen geschrieben wurden.  Im Grunde entspricht die intime, strenge Form der Kammermusik eher dem künstlerischen Naturell Kurtágs, der weniger in Großformaten denkt, vielmehr mit auf Keimzellen reduziertem Klangmaterial seinen ganz eigenen Stil entwickelt hat.
 
Das Parker Quartet hat für die vorliegende Einspielung – seine erste für ECM – nun die Six moments musicaux op. 44 und das Officium breve op. 28 – wenn man so will: Kurtágs Streichquartette Nr. 3 und 4 – mit Dvořáks Streichquintett Nr. 3 in Es-Dur op. 97 verbunden, für das Kim Kashkashian  den zweiten Violapart übernommen hat.  Und hier in der musikalischen Faktur, den kompositorischen Mitteln, im Klangcharakter trennen sich die Wege dieser beiden Komponisten, die zwei musikalische Epochen repräsentieren.
 
Wie im Grunde alle Werke des skrupulös die Mittel der Gestaltung konzentrierenden und verdichtenden György Kurtág sind auch diese beiden Streichquartette aus kleinsten musikalischen Gesten, Klangfarben, Bruchstücken – freilich von überzeugender Konsistenz – gestaltet; voller Anspielungen auf ihm nahestehende Personen, Werke und Geschehnisse der Vergangenheit und Gegenwart, aus denen sich die ästhetischen Orientierungspunkte des Komponisten ableiten lassen, ohne im einzelnen Klang konkret aufzuscheinen: Beethoven, Olivier Messiaen, der Pianist und Klavierpädagoge György Sebök, der ungarische Dichter Endre Ady, Samuel Beckett, Leoš Janáček. Und Anton Webern selbstverständlich, mit seinem Minimum an Tönen und einem Maximum an Ausdruck als Konsequenz.
    
Diese Beispiele einer aufs Wesentliche konzentrierten und gerade dadurch wirkungsmächtigen Klangkunst umrahmen Antonín Dvořáks spätes Streichquintett in Es-Dur op. 97, das wie die anderen zur gleichen Zeit entstandenen Werke dieser „amerikanischen Periode“  des Komponisten seine Attraktivität aus der so natürlich erscheinenden und geradezu blühenden Melodik wie der prägnanten Rhythmik bezieht.  Dvořáks unverstellte Sinnlichkeit des Melos, seine offenbar nie versiegende Erfindungskraft hatte schon Brahms, der langjährige Mentor des tschechischen Komponisten, neidlos anerkannt. Zugleich aber war die Leichtigkeit des musikalischen Ideenflusses auch verantwortlich für das unausrottbare Vorurteil vom böhmischen Musikanten, der das musikalische Material nicht gedankenschwer bearbeiten musste, weil es ihm nur so zuflog.  Ein Blick auf die zahlreichen Skizzenbücher Dvořáks könnten da eines Besseren belehren. So hat Dvořák das Hauptthema des Finalsatzes der neunten Symphonie „Aus der neuen Welt“ zehnmal verändert, die Einleitung zum Adagio fünfmal, bevor diese Motive und Themen Eingang in die Partitur fanden. Was erklingt, ist auch bei Dvořák, wie bei Kurtág, einem Denkprozess unterworfen worden, bis es die so natürlich wirkende, endgültige Gestalt angenommen hat.
 
Das Parker Quartet konnte sich rasch nach seiner Gründung im Jahr 2002 in Boston als eines der führenden Ensembles auf den internationalen Bühnen etablieren. Die vier Alumni des New England Conservatory of Music und der Julliard School sind inzwischen seit über sechs Jahren „artists in residence“ an der Harvard University und bespielen weltweit renommierte Bühnen wie die Carnegie Hall, das Lincoln Center, Wigmore Hall in London, Concertgebouw Amsterdam und den Wiener Musikverein. Im Laufe seines Bestehens wurde das Quartett mit diversen Anerkennungen gekürt – darunter auch mit dem Grand Prix sowie dem Mozart-Preis des Bordeaux International String Quartet Wettbewerbs. Neben dem Cleveland Quartet und Rainer Schmidt (Hagen Quartett) gehören Kim Kashkashian und György Kurtág zu den wichtigsten Mentoren des Ensembles, dessen Hauptfokus auf der Interpretation zeitgenössischer Werke liegt, die vielfach in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Komponisten entstehen. Zu solchen Projekten gehört auch die Aufnahme mit Werken von György Ligeti von 2011, welche mit dem Grammy für die beste kammermusikalische Darbietung ausgezeichnet wurde.
 
Kim Kashkashian gehört heute zu den profiliertesten Viola-Spielerinnen und gefragtesten Pädagoginnen weltweit.  Stationen ihrer Lehrtätigkeit waren die University of Indiana in Bloomington, die Mannes School of Music in New York, die Hochschulen für Musik in Freiburg und Berlin und seit 2000 das New England Conservatory in Boston.  Die Zusammenarbeit mit zahlreichen Komponisten hat das schmale  Repertoire für die Viola um wesentliche Werke erweitert, die durch Kim Kashkashian ihre Uraufführung erlebten.  Viele Aufnahmen von Kim Kashkashian, die seit dreißig Jahren auf ECM New Series erscheinen, sind mit internationalen Preisen ausgezeichnet worden, darunter auch mit einem Grammy 2013 für ihre Einspielung Music for Viola mit Werken von György Ligeti und György Kurtág. Im selben Jahr wurde sie mit der George Peabody Medal für ihr außerordentliches Engagement für die Musik in Amerika geehrt.
 
Das CD-Booklet enthält einen Text von Paul Griffiths in englischer und deutscher Sprache
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