In fünf riesenhaften Sätzen reflektiert Widmann die Schöpfungsgeschichte als Geschichte des Menschen mit all ihren existentiellen Abgründen und Widersprüchen. ‚Arche‘ ist also weniger ein kontemplatives als ein überaus heterogenes Vokalwerk, wo Welten aufeinanderprallen, geistliche, profane und philosophische Aspekte sich gegenseitig durchdringen oder abstoßen. Dazu zieht Widmann alle Register virtuoser Polystilistik und hat dazu tief ins romantische Mess-, Oratorien- und Orchesterliedrepertoire hineingehorcht. […] Marlis Petersen (Sopran) und Thomas E. Bauer (Bariton) dürfen singen, was das Zeug hält , und versorgen die reichhaltigen musikdramatischen Allusionen ausgesprochen textverständlich mit der nötigen Emotionalität. Sehr charmant auch die Kinder-Evangelisten, die die biblischen Erzählungen öfter mal ironisch aufbrechen!
Dirk Wieschollek, Fono Forum
Die charismatische Marlis Petersen zeigt mit ihrer außergewöhnlich kristallinen, von tiefer bis die höchste Lage sicheren Sopranstimme eine bannend-brillante Interpretation ihrer Rolle als Liebende, Frische gepaart mit Reife, die alle Höhen und Tiefen der Emotionen durchläuft. Ihr zur Seite im Wechselgesang steht gleichwertig Thomas E. Bauer mit viriler Wucht, klangschön baritonal, dynamisch differenziert und ausdrucksstark, präzise in Diktion und Deklamation […] Dirigent Kent Nagano erzielt mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg ein transparentes Klangbild, generiert sinnliche starke Eindrücke, die direkt ins Herz des Zuhörers treffen. Und die damit genau die Wirkung erreichen, die der Komponist beabsichtigt hat. Mehr geht nicht.
Gabriele Helbig, Das Opernglas
Cette ‘Arche’ jette un pont entre le passé et le présent de l’Europe chrétienne des Lumiéres et, dans la mesure où l’oratorio se propose de méditer sur le course de l’historire humaine, on peut supposer qu’elle regarde aussi vers le future. […] L’orchestre est somptueux, Marlis Petersen et Thomas E. Bauer sont parfaitement dans leur element avec cette vocalité romantique.
Pierre Riguadière, Classica
Widmann ist ein Komponist, der sich mit seinem Wirken mit leichter Hand zwischen Tradition und Moderne bewegt. Er hat für die fünf Sätze eine Textsammlung geschaffen, die die die Bibel, Assisi, Heine und Nietzsche aufnimmt, aber auch Klabund und Sloterdijk. Doch erst recht werden musikalisch unzählige Quer- und Rückbezüge geschaffen. Sein eigener Stil wird hier mit Rhythmen à la Orff, Zitaten von Beethoven kombiniert, Walzer und Wagner treffen ebenso aufeinander. […] Die Aufzeichnung der Uraufführung liegt in den Händen von Kent Nagano, der am Pult des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg, dank seiner immensen Erfahrungen mit den Herausforderungen von spröden, konturreichen, dann wieder sich ineinander verbindenden Klangfäden ohne Fehl und Tadel sicher jongliert. Auch die Erzähler und Sänger wissen sich der neuen Aufgabe mit überzeugenden Leistungen anzunehmen.
Uwe Krusch, Pizzicato
Jörg Widmann’s ‘Arche’ is one of those large-scale works that can take a bit of getting used to, but has enough moments of familiarity to draw you in even on a first hearing, and with growing comprehension reveals ever more the longer you live with it. The recording is excellent, and audience noise is restrained and mostly responsive to what is happening in stage, making you wish you’d been there.
Dominy Clements, Music Web
Composer Jörg Widmann’s most ambitious score to date, this live performance of ‘Arche’, a secular oratorio spanning two CDs, is an affecting paean to peace. It was composed to celebrate the opening of the new Elbphilharmonie Hall. With texts ranging from Nietzsche to Francis of Assisi, it is both thoughtful in its connection of disparate ideas and stylistically diverse yet musically compelling throughout. Under Nagano’s leadership, the musicians give a compelling rendition of this challenging piece – indeed, it is hard to believe it is an unedited live performance. Arche’s climax, in which a children’s choir rebukes their parents’ generation for its destructive ways, is the most moving use of children’s voices I have heard since Terry Riley’s pieces for the Young People’s Chorus of New York City.
Christian Carey, Sequenza 21
Auf der CD mit ihrem Vorteil der Distanz tritt die Extraklasse der Sänger (Marlis Petersen, Thomas E. Bauer) und der Chöre (Chor der Staatsoper, Alsterspatzen) hervor, auch Naganos Fähigkeit, orchestrale Massen zu organisieren, hier das außergewöhnlich engagierte Philharmonische Staatsorchester an diesem dritten Eröffnungsabend. Aus der Distanz des CD-Hörens, mit klarerem Kopf, kühlerer Ohrmuschel, erscheint Widmanns Arbeit weniger als Ergebnis großer musikalischer Erfindungen denn als Resultat geschickten Collagierens und Arrangierens kaum wesentlich veränderter Ausgangsmaterialien; Widmann bedient sich fast der gesamten europäischen Musikgeschichte von der Gregorianik bis zu Pintscher und Lachenmann, vorzugsweise der mittleren und späten Romantik. Er macht das mitreißend. Eine gelungene Werbeveranstaltung für durchaus nicht mehr ganz in den gewohnten Gleisen fahrende Orchestermusik mit Menschenstimmen. Ein prallvolles, nicht ganz so schwieriges Musikrätsel fürs offene, erwartungsfrohe und risikobereite Ohr.
Stefan Siegert, Junge Welt