‘Auf verwachsenem Pfade’ taufte Janáček einen Zyklus von 15 meist melancholischen Klavierstücken. Naturbilder sind es, oft Erinnungsfetzen, die selten glücklich sind, und in denen er unter anderem mit dem Sterben seiner Tochter hadert. Düster ist die Umgebung, bisweilen ziemlich unheimlich, und wenn es Licht gibt, scheint es trügerisch zu sein. Noch einmal verstärkt werden diese Stimmungen durch eine Bearbeitung für Streichorchester, die der Geiger Daniel Rumler für die Camerata Zürich von diesen Miniaturen angefertigt hat. Selten haben die verschiedenen Klangfarben der Streichinstrumente so viel Sinn gemacht für die Bearbeitung eines Klavierzyklus, vor allem auch weil hier niemals übertrieben wird, sondern die Brüchigkeit und Doppelbödigkeit der Musik auch in der vergrösserten Besetzung gewahrt bleibt: Flageolett, fahle Ponticello-Klänge, zarte endlos gespannte Pianissimo-Linien, zauberhaft süsse Melancholie in den wehmütigen Erinnerungen.
Reinmar Wagner, Musik & Theater
Die neue Bearbeitung des Zyklus (Daniel Rumler), geschaffen für das von Igor Karsko geleitete Ensemble Camerata Zürich, sorgt dafür, dass der Tonraum größer wird, dass das von Streichern bestimmte Szenario der nur gefühlten Jugend des Komponisten in mährischer Landschaft bedeutend an Prägnanz gewinnt. Die düsteren Klangfiguren und scharfkantigen Kontraste auf Janáčeks bedrohlichen und schönen Pfaden des Lebens erlangen dadurch mehr klangliche Plastizität und Transparenz als am Klavier. Zusätzlicher Coup der fesselnden Aufnahme sind die Texte, die die französische Schriftstellerin Maia Brami zu Janáčeks Zyklus geliefert hat und hier selbst rezitiert: ein anderes Medium der Poesie.
Wolfgang Schreiber, Süddeutsche Zeitung
Die Gefahr bei Janáčeks Stücken liegt, ob Klavier-Original oder bearbeitet, immer in einer Art Rührseligkeits-Falle. Badet man zu sehr in Melancholie, verliert die Musik ihre Aufrichtigkeit. Davon ist zum Glück bei der Camerata Zürich nichts zu spüren. Im Gegenteil. Hier wird haargenau ausgelotet, wie schnell, wie langsam ein Satz sein darf, hier werden die einzelnen Instrumente minutiös zueinander in Beziehung gesetzt. Vor allem aber agieren die Züricher mit einer Zartheit und einer Aura des Geheimnisvollen, dass man jederzeit gebannt zuhört. Kleine Miniaturen, ganz groß gespielt. […] Konzeptionell besitzt diese Produktion einigen Mehrwert, was sich auch in den beiden Werken zeigt, die den äußeren Rahmen um den Janáček-Schwerpunkt bilden. Am Beginn steht die ‘Meditation über den alten tschechischen Choral St. Wenzel’ von Josef Suk, entstanden 1914, kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Auch bei dieser Choralmeditation zeigt die Camerata Zürich all ihre Qualitäten: ein perfekt aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel, ganz und gar kammermusikalisch, viele feine Abstufungen in der Dynamik und die Fähigkeit, Dinge ahnungsvoll anzudeuten statt sie platt auszusprechen. […] Der Camerata Zürich mit Igor Karsko ist eine programmatisch ungewöhnliche, stimmige und musikalisch beeindruckende Aufnahme gelungen – bei der Janáček-Bearbeitung handelt es sich überdies um eine Weltersteinspielung. Also ein idealer Tipp auch für jene, die meinen, alle Werke bereits im heimischen oder virtuellen CD-Schrank archiviert zu haben.
Christoph Vratz, Südwestrundfunk
‘Po zarostlém chodníčku’ (Auf verwachsenem Pfade) ist ein aus 15 Teilen bestehender Klavierzyklus von Leoš Janáček (ECM hat ihn vor 20 Jahren mit András Schiff veröffentlicht). Der Geiger Daniel Rumler hat davon für die Camerata Zürich eine Fassung für Streichorchester geschaffen, die dieses Orchester unter der Leitung von Igor Karsko für ECM aufgenommen hat. […] Die einzelnen, meist sehr kurzen Stücke können durchaus für sich, ohne Aufladung mit Bedeutung, mit narrativem und biographischem Überbau bestehen und bezeugen die Modernität des nur 13 Jahre nach Dvořák und 20 Jahre vor dessen Schwiegersohn Suk geborenen Janáček.
Thomas Rothschild, Kultura Extra (Five out of five stars)
Die Camerata Zürich hat sich diesen Zyklus nun für Streichorchester arrangieren lassen, und die Fassung von Daniel Rumler beglückt durchaus: Dank schlanker Besetzung ertrinkt die Musik nicht in Opulenz und behält ihre knorrigen Momente (teils verstärkt durch herbe Streichereffekte) bei. Andererseits blüht der Klang dort paradiesisch auf, wo Janáček ein Idyll der schlichten Harmonien feiert. Für Umrahmung sorgt die Musik zweier Landsleute: Josef Suks ‘Meditation über den altböhmischen Choral St. Wenzeslaus‘ erfreut mit sphärischen, leicht abstrakten Klangbildern, Antonín Dvořáks ‘Notturno’ mit melodiöser Wehmut.
Christoph Irrgeher, Wiener Zeitung
Ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnliches Album. Zum einen wegen des Repertoires: Daniel Rumler hat 2016 Leoš Janáčeks Klavierwerk ‘Auf verwachsenem Pfad’ für Streichorchester eingerichtet. Diese Fassung wird durch die Camerata Zürich flankiert von einer Meditation von Josef Suk sowie der B-Dur-Nocturne op. 40 von Antonín Dvořák. […] schließlich ungewöhnlich, weil die Aufnahme unter dem geigenden Leiter Igor Karsko künstlerisch restlos überzeugen kann. Nicht nur, dass die melancholischen Eintrübungen sehr natürlich gelingen und die Melodien klar und arios geformt werden – vor allem besitzt das Spiel der Camerata etwas ungemein Luftiges. […] Auch die titellosen Nachträge zu Janáčeks Werk leben von wahrhaftiger Intensität, geheimnis- und ahnungsvoll in den unterschiedlichen Schattierungen des Leisen. Eine originelle, hörenwerte Aufnahme.
Christoph Vratz, Fono Forum (‘Stern des Monats’)