Man kann nur davon überwältigt sein, wie Kremer sich auf diese schicksalstrunkene, schnell entflammbare und sich dann wieder in völlige Einsamkeit zurückziehende Musik einlässt bzw. wie er geradezu eins mit ihr wird. Gleiches gilt erwartungsgemäß aber auch für die beiden Solo-Sonaten, die 1964 bzw. 1967 komponiert wurden. In der 1. Sonate blitzt und funkelt es bisweilen folkloristisch auf. Aus sieben eher kurzen Sätzen besteht die 2. Sonate, die mit ihren grimassenhaften und grotesken Einwürfen durchaus an Weinbergs Mentor und Freund Dmitri Schostakowitsch denken lässt. Doch bei Kremer erlebt man eben nicht etwa einen zweitklassigen Schostakowitsch, sondern einen erstklassigen Weinberg.
Guido Fischer, Rondo
Selten hat ein Geiger ein erratisches Werk so bildhaft erzählt: Unendlich der Farben- und somit der Ausdrucksreichtum. […] 75 Jahre wird Gidon Kremer am 27. Februar und spielt charaktervoller den je.
Christian Berzins, Luzerner Zeitung
Wie macht das Gidon Kremer? Er streicht eine leere Saite an, und die Zuhörer sind sofort gefesselt, in eine andere Sphäre versetzt. Was bei anderen neutral-trocken klingt, wirkt bei ihm suggestiv und unerhört. Gerade in Stücken für Solovioline kann kann Kremers Kunst der Übertragung seiner forschenden kreativen Fantasie auf die Zuhörer und damit der Entfaltung des Inneren der Musik magisch bannen. […] die neue CD mit den drei Violin-Solosonaten von Mieczyslaw Weinberg (1919 – 1996) teilt bei aller gewollten Einsamkeit dieser Musik etwas Essenzielles vom Solisten mit: Kremer geigt nie mutterseelenallein vor sich hin, sondern erfüllt diese schmerzliche, manchmal dumpf verhangene oder in hysterische Wildheit ausbrechende Musik als kreativen Akt der Selbsterforschung. So zumindest der Eindruck, weil Kremer die Stücke nicht in ihrer Außenansicht präsentiert, sondern so behutsam wie konsequent in ihren Kern eindringt. Für den aufmerksamen Zuhörer wird das zum erregenden Abenteuer.
Harald Eggebrecht Süddeutsche Zeitung
In jedem Fall sind diese Psychogramme einnehmend, wenn man ihnen genau und geduldig zuhört. Gidon Kremer spielt die modernen Bach-Reminiszenzen auf seiner Barock-Violine. Der nostalgische Klang und der dramaturgische Weitblick von Kremer machen sprachlos. Ein Glücksfall für die späte Anerkennung eines herausragenden Komponisten!
Elisabeth Hahn, Deutschlandfunk Kultur
In Gidon Kremer hat diese vielschichtig in allen Farben changierende Musik einen Fürsprecher gefunden, der sie so verinnerlicht hat, dass er über alle technischen wie musikalischen Schwierigkeiten hinweg in dieser Tonwelt expressiver Empfindsamkeit einfach nur brilliert. Kremers Einspielung der drei Violinsonaten op. 82, 95 und 126 ist grandios. […] Das klingt, als würden zwei Interpreten auf zwei Instrumenten miteinander kommunizieren und als sei erst das 21. Jahrhundert dazu befähigt, dieses Denkmal in seiner feinfühligen Komplexität, radikalen Wahrheit und Authentizität erfahren zu können.
Stefan Sell, Crescendo
Sich solch unterschiedlichen musikalischen und klanglichen Sphären auf engstem Raum mit Intelligenz und subtiler Musikalität zu nähern, war schon immer eine der herausragenden Fähigkeiten von Gidon Kremer. Und er beweist sie auch hier wieder.
Reinmar Wagner, Musik & Theater
This powerful recording further reinforces the view of [Weinberg] as a significant voice in post-war composition. […] None of these sonatas – even the relatively approachable second – is what one might call easy listening, but in Gidon Kremer’s hands they show another fascinating side of this overlooked composer. […] It might seem an unconventional way for Kremer to mark his 75th birthday – very far from the musical equivalent of a huge box of chocolates – but it’s a fitting summation of his work to date in advocating for Weinberg’s music.
David Smith, Presto
eine späte Liebe zur Musik von Mieczysław Weinberg hält Kremer bis heute in Atem. So macht er sich zu seinem 75. Geburtstag denn auch selbst das womöglich wirkungsvollste Geschenk: mit einer Einspielung von Weinbergs drei Sonaten für Violine solo (Label ECM), die den Vergleich mit Bachs Referenzwerken nicht zu scheuen brauchen. ‘Sprechen Sie jede Phrase wie mit einer anderen Stimme, deklamieren Sie die Musik wie ein Schauspieler’, so hatte er in Kronberg gefordert. Hinter jeder Musik ‘sollte es eine Geschichte geben, die uns hilft, den Schlüssel zu dem Stück zu finden’. Gidon Kremer gibt uns den Schlüssel zur Musik direkt in die Hand.
Christian Wildhagen, Neue Zürcher Zeitung
Kremer findet für die sehr gegensätzlichen Ausdrucksformen immer die entsprechenden Mittel. Sein Spiel verrät tiefe Vertrautheit mit einem Komponisten, für dessen Werke er sich seit vielen Jahren geradezu vehement einsetzt. Die zweite Sonate entstand 1967 und besteht aus sieben Abschnitten. Der erste ist knapp anderthalb Minuten kurz, jeder weitere dauert jeweils etwas länger, der Schluss-Satz schließlich knapp dreieinhalb Minuten. Diese zweite Sonate wirkt in ihrer klanglichen Reduktion fast wie eine Gegenantwort auf die erste. Gidon Kremer springt und singt auf den Saiten seiner Geige, er gibt sich keck und klagend, er verknüpft Aufschwünge und Anzeichen von Resignation. Die dritte Sonate stammt aus dem Jahr 1979. Auf den ersten Blick scheint sie aus nur einem einzigen, über 20-minütigen Satz zu bestehen. Kremer rückt sie ein wenig in die Nähe von Béla Bartók. […] Gidon Kremer war immer schon ein Gegner des Mainstreams. Das zeigt auch diese Aufnahme. Er fordert sich und seine Hörerinnen und Hörer. Er mutet uns etwas zu, er zwingt uns zum genauen Hinhören – das gelingt ihm auf höchstem Niveau, weil er selbst jeden Takt mit bezwingender Ernsthaftigkeit ausleuchtet.
Christoph Vratz, Norddeutscher Rundfunk
Nach diversen Kammermusiken und einem Album mit Präludien liegen nun die drei Sonaten für Violine solo vor, entstanden zwischen 1964 und 1979, hier angeordnet in umgekehrter Reihenfolge ihrer Entstehung. Dass Kremer diese Musik, gerade im Fall der dritten Sonate, in die Nähe Bartóks rückt, hört man seinem pointiert-rhythmischen, motorisch-drängenden Spiel oft an. Kremer ist zutiefst mit der Materie vertraut. Er spielt mit einer forschen Rücksichtslosigkeit, aber auch, in der zweiten Sonate, mit höchster Schlichtheit. Lange Töne, wie Silberfäden. Harmonische Wechsel arbeitet er offenherzig heraus. Diese Musik ist ihm hörbar ein Herzensanliegen.
Christian Lahneck, Concerti
Ecartelés entre de multiples aspirations esthétiques, ces monologues illustrent parfaitement le style de Weinberg […]. Le violoniste letton les propose dans l’ordre inverse de leur chronologie et il fait bien : on a ainsi l’impression de remonter le temps. La n° 2 (1967), itinéraire de baladin, et la n° 3 (1964), parcours de funambule, complètent le triptyque d’un artiste singulier que Gidon Kremer défend, à 75 ans, avec le pouvoir de conviction qu’on lui connaît depuis ses débuts.
Pierre Gervasoni, Le Monde
Es geht Gidon Kremer, der seinen Interpretenweg genauso polystilistisch schillernd gegangen ist wie Mieczyslaw Weinberg komponiert hat, einmal mehr um Musik, um Gefühl, um radikale Direktheit. Um Wahrhaftigkeit. Die man in jeder Note hört. Sie lässt gerade in diesen kriegerischen Tagen so tröstlich werden, die Kraft der Kunst spüren in Kremers glaubendem Dialog mit sich selbst und seiner altehrwürdigen Amati-Geige.
Manuel Brug, Die Welt
Dass diese Musik in all ihrer Sperrigkeit, die aber nicht mit Konstruiertheit zu verwechseln ist, zu Kremer passt, spürt man sofort. Ihre Klangfarben wirken gleichermaßen fremd und vertraut, akademisch und unakademisch, traditionell und avantgardistisch. Dass ein direkter Weg, gerade im Fall der ersten Solosonate, zu Johann Sebastian Bachs Sonaten und Partiten für Solovioline zurückführt, macht Kremers Spiel nur zu deutlich. Enorm, was da an technischen Herausforderungen für einen Geiger zu bewältigen ist. Und enorm, wie dieser Künstler das umsetzt. Einmal mehr fasziniert die Reife und Überlegtheit in Kremers Spiel. Zu der eben auch gehört, hinter das Kunstwerk zurückzutreten und seine Kunst nicht narzisstisch – verliebt in Schönheit – zu feilzubieten
Alexander Dick, Badische Zeitung
Musik für Solovioline mag oft etüdenhaft klingen. Kremer gelingt es freilich, alles Spieltechnische, das Weinberg selbstverständlich ins Werk setzt, zu Ausdruckschiffren gleichsam zu ‘verfremden’. Es verliert das Mechanische, gewissermaßen ‘gut’ Geprobte und verwandelt sich in unerhörte musikalische Ereignisse. Was freilich in den Werken bei solcher Interpretation zu kurz kommt, ist das Gefühl für Kontinuität oder für eine spezifisch musikalische Zeitlichkeit. Die Musik scheint sich auf den Augenblick zu konzentrieren. Aber darüber geht ein Gespür für Formung und Gestaltung keinesfalls verloren, mit welcher der seltsam verschlossene, hermetische Ausdruck der Werke objektiviert wird und den Hörer unmittelbar betroffen macht.
Giselher Schubert, Fono Forum
Die Expressivität in der 3. Sonate für Geige solo von Mieczyslaw Weinberg (1919 – 1996) ist schmerzhaft. Und der Geiger Gidon Kremer schont die Hörer im Lebendigmachen dieses Werks von 1979 in keiner Weise. Selten hat ein Geiger ein erratisches Werk so bildhaft erzählt.
Christian Berzins, Kulturtipp
Kremer arbeitet meisterhaft die Expressivität und Vielfalt der Stücke heraus, aber auch die reizvollen Reflexionen der Bach’schen Vorbilder. Das Album, das zu Kremers 75. Geburtstag erschien, beeindruckt zudem mit seinem klaren Klangbild – ein schönes Geschenk, nicht nur für Entdeckungsfreudige.
Andreas Fritz, Audio
Si la première suit le modèle de Bach, la deuxième est constituée de sept mouvements brefs, tandis que la troisième, dédiée au père du compositeur, est d’un seul tenant. Mais quelle que soit leur configuration, le grand violoniste letton arrive à restituer la substance et l’âme des œuvres.
Nicolas Blanmont., La Libre Belgique
The First Sonata, especially, requires ultra-fast pyrotechnical reflexes, which in a flash may require a stratospheric position change accompanied by extreme transpositions of dynamic and bowing style, and back again. Rather than create the impression of a darting swallow in full flight, Kremer galvanises the attention with the hurtling menace of swooping hawk. Kremer’s soundboard-buckling élan reaches its zenith in a live recording of the Third Sonata so fearless in its no-holds-barred intensity that at times one fears for the safety of his instrument. ECM’s typically close, fine-detailed engineering enhances the galvanising impression of a musician in peak flow with tactile precision.
Julian Haylock, The Strad
Like Shostakovich, Weinberg struggled with state-mandated musical criteria, suffering for it financially and politically—he spent three months in prison in 1953 in part for the attacks against his music in the press (Shostakovich saved his life). In the 1960s, aesthetic regulations changed. Weinberg wrote the first two of his three violin sonatas in that decade. It would be another 12 years before he completed his third, dedicated to the memory of his father, who died in Trawniki in 1943. Gidon Kremer opens his latest album with this single-movement sonata, which merges the craftsmanship of a Bach chaconne with the versatility of Bartók’s violin sonata to create a portrait that lives in the rough edges and exposed seams. Quickly aching bow strokes lilt into something closer to the Yiddish theater of Weinberg’s youth. How starkly it all ends, like a person interrupted mid-breath. Kremer works backwards in Weinberg’s timeline, moving from the third into the second and ending on the first of the violin sonatas. In doing so, Kremer reveals how much of the first two sonatas were bridges to his third and final work: early drafts that stand on their own merits. In these, you hear Weinberg’s periods of political and personal turmoil, and an unwavering sense of his own self that carries through despite it all. […] A longtime champion of Weinberg’s music, with a sense of how history and politics inform art in any era, Kremer’s own unshakable, at times iconoclastic, foundation make him an ideal interpreter for these three works. Even listening to them with the focus and care of a Talmudic scholar wouldn’t reveal all of the meanings buried in every corner of each score.
Olivia Giovetti, Van Magazine
Gidon Kremer ist der unermüdliche Advokat des Werks von Mieczyslaw Weinberg. Wenn sich der Geiger also der drei Solosonaten des sowjetischen Komponisten polnisch-jüdischer Herkunft annimmt, ist Kammermusik von schmerzvoller Direktheit zu erwarten. Virtuosität hat nichts mit kalter Geläufikeit zu tun. Kremer zeigt, dass echte Könnerschaft aus einem vielschichtigen Ausdruck und risikoreichem Spiel entsteht. Besonders Weinbergs dritte Sonate, in Erinnerung an seinen Vater geschrieben, wird zum ausdrucksdichten Dokument ‘schreiender’Trauer.
Ljubiša Tošic, Der Standard
Gidon Kremer’s marvelous recording of the Third sonata for ECM resurfaces here alongside its newly engineered companions which needless to say receive strongly committed and viscerally exciting performances. Even for Weinberg aficionados, it’s probably advisable, however, to hear these thorny works separately to maximize their impact.
Erik Levi, BBC Music Magazine
Weinbergs bildersatte Musik wird zu Unrecht nur lückenhaft aufgeführt. Kremer, jetzt fünfundsiebzig, kann die raschen gelenkigen Gesten der zweiten Sonate (1967) filigran sehr ernst nehmen. Und die mehr klassische erste Sonate kämpferisch durchmessen. Die dritte einsätzige Sonate (1964), gegeigt im Wissen um starke Gedanken und Formen, zeigt den Überlebenswillen eines Komponisten, der 1996 spurlos in Moskau starb und jetzt im Westen endlich entdeckt wurde.
Wolfgang Schreiber, Süddeutsche Zeitung
Se alla pregnante complessità della pagina più matura, segnata dalla natura quasi rapsodica, la partitura del 1967 risponde attraverso una struttura che potremmo definire descrittiva, con le sette parti che la compongono illustrate attraverso altrettanti tioli dalla evocativa e quasi didascalica eloquenza – Monody, Rests, Intervals, Replies, Accompaniment, Invocation, Syncopes – la prima Sonata restituisce le radici classicistiche coltivate da Weinberg attraverso una scrittura che, nell’articolarsi dei cinque movimenti descritti con le denominazioni Adagio-Allegro, Andante, Allegretto, Lento e Presto, combina con personale creatività stilemi che rimandano idealmente ad un materiale stilistico capace di evocare echi bachiani così come beethoveniani, pur nell’alveo di un impianto di scrittura formalmente novecentesco. Una materia espressiva che Kremer riesce a rileggere con coinvolgente efficacia, traendo dal suo prezioso strumento plasmato da Nicola Amati nel 1641 una densità interpretativa davvero pregnante, arricchendo di spunti personali un’esecuzione trascinante e coinvolgente.
Alessandro Rigolli, Giornale della musica