Das Eingangsmotiv hat Alfred Schnittke der Türglocke seiner damaligen Moskauer Wohnung abgelauscht – und es zu einem der zentralen Intervalle in seinem Konzert für Klavier und Streicher gemacht. Anna Gourari spielt das zart und wie eine offene, im Ungefähren verhallende Frage. Auch die düsteren Basstöne wirken anfangs verhalten, bevor sie schließlich einen bedrohlichen Charakter annehmen. Schnittkes Konzert besteht aus nur einem Satz, aber aus acht aufeinander folgenden Abschnitten. Die lange Solo-Passage zu Beginn deutet Anna Gourari wie eine Fantasie: verträumt, sich treiben lassend und sensibel der Einsamkeit dieser Musik nachlauschend. Wenn dann das Orchester einsetzt, weitet sich der Charakter und macht alle Gedanken, die an einen harmlosen Türglocken-Ton erinnern, vergessen. Das Orchestra della Svizzera Italiana spielt unter Markus Poschner ungemein direkt, als solle nichts beschönigt werden. Dank einer großen Transparenz hat diese Passage etwas Fesselndes, Zupackendes […] Was mich an dieser Aufnahme überzeugt, ist die Wahl der gewählten Tempi. Es gibt Einspielungen, bei denen dieses Konzert weniger als 20 Minuten dauert, oder aber rund 26 Minuten – eine enorme Spannweite. Anna Gourari und das Orchester der italienischen Schweiz bewegen sich genau in der Mitte – aber sie liefern kein Mittelmaß. Der Ausdruck wird in unterschiedlichste Richtungen verdichtet, aber ohne Extreme. Vielmehr zeugt ihre Mitte von einer guten Balance. Das bekommt dieser Musik sehr gut.
Christoph Vratz, Südwestrundfunk
Wenn sich in den Werken von Paul Hindemith und Alfred Schnittke immer auch die musikalische Vergangenheit spiegelt und dabei bis zu Bach zurückgeht, dann war das nicht die einzige Gemeinsamkeit zwischen ihnen. Denn Hindemiths und Schnittkes Umgang mit dem Erbe lief nicht etwa so schablonenhaft wie etwa bei Strawinski ab. Bei beiden entwickelten die Rückbezüge und Rückgriffe auf Zitate und Formen eine Kraft, die im 20. (Katastrophen-)Jahrhundert etwas Trost spenden konnte. […] Davon berichtet denn auch die fantastische, weil spannungsgeladene und unter die Haut gehende Einspielung von Anna Gourari und dem Orchester der italienischen Schweiz unter Markus Poschner. […] Und während das Orchester den ungeheuren Reichtum der ‘Mathis’-Partitur mit einer bisweilen klangluxuriösen Großzügigkeit präsentiert, erlebt man bei den ‘Vier Temperamenten’ Anna Gourari als eine voller Lust und Leidenschaft zupackende Prima inter Pares.
Guido Fischer, Rondo
Ein interessantes Programm und sehr gute Interpretationen machen dieses neue Album attraktiv. Alfred Schnittkes Konzert für Klavier und Streicher beginnt mit einer langen Solo-Passage, die Anna Gourari spannend gestaltet, ehe dann Streicher mit einer bedrohlichen Geste hinzustoßen, worauf das Klavier zunächst ungehalten und harsch antwortet, ehe die Stimmung etwas schräg wird. Die Spannung bleibt erhalten und das Konzert entwickelt sich in dieser Interpretation total fesselnd weiter. Die Atmosphäre bleibt immer geheimnisvoll […] Markus Poschner bringt ein gleicher Art genuines Verständnis für Hindemiths Mathis-Symphonie mit, die er mit einer absoluten Perfektion und einem rigorosen Ausdruck zu gestalten weiß. Das Orchestra della Svizzera Italiana befindet sich in Höchstform und bringt klanglich alles mit, was Hindemiths Musik verlangt. Es folgt dann noch Hindemiths abstrakte, d.h. handlungslose Ballettmusik ‘Die Vier Temperamente.’ […] Die Musik beschreibt die Stimmungen den Temperamenten entsprechend, und in dieser Interpretation werden sie, wie ich finde, ganz besonders gut differenziert. Poschner und Gourari bringen Feuer und Leidenschaft in die sanguinischen und cholerischen Variationen und die notwendigen lyrischen Linien in die beiden anderen Teile.Das Orchesterspiel musiziert erneut auf einem sehr hohen Niveau, Gourari spielt spannungsvoll und expressiv. Die Tonaufnahme ist vorzüglich, mit einer perfekten Balance und einer großen Klarheit im immer dichten Klangbild.
Remy Frank, Pizzicato
Es sind komplexe, schwierige Werke, die sich Anna Gourari für ihr Album ausgewählt hat. Die Pianistin aus Tatarstan spielt das Konzert für Klavier und Streicher von Alfred Schnittke und ‘Die vier Temperamente’ von Paul Hindemith. Dabei kann sie ihre technische und interpretatorische Brillanz voll ausspielen. Ihre ‘Begleiter’ – das Orchestra della Svizzera italiana unter Markus Poschner – glänzen zudem mit Hindemiths Sinfonie ‘Mathis der Maler’.
Frank von Niederhäusern, Kulturtipp
Un titanesque programme, défendu avec conviction par les interprètes. (…) Réduit à un seul mouvement d’environ 25 minutes, le Concerto de Schnittke passe de la dissonance agressive à la consonance apaisante, du jazz instrumental aux chants de l’Eglise orthodoxe, de la nuée fantomatique à la plasticité acérée. Et pourtant, il tient l’auditeur en haleine par sa capacité d’interrogation.
Pierre Gervasoni, Le Monde
Listening to these excellent performances of Schnittke and Hindemith’s works for piano and strings connections began to present themselves. In Schnittke’s Concerto for Piano and String Orchestra, one initially hears the pastiche of disparate styles for which he was both renowned and reviled. But below the surface lurk repeated motifs, chorales, even tone clusters being transformed in a way that suggests a deeper logic to the music’s unfolding. […] Conversely, Hindemith’s score for the ballet ‘The Four Temperaments’ has a surprisingly expressive range despite the strict variation form that undergirds it. […] The cohesive impression is aided mightily by Gourari’s sensitive yet exacting performances, and by the conductor Markus Poschner’s sympathetic accompaniment. He and the Orchestra della Svizzera Italiana also bring a welcome lightness of touch to Hindemith’s ‘Mathis der Maler’ Symphony.
David Weininger, The New York Times
Ballet de Hindemith sur ‘Les Quatre Tempéraments’ leur convient beaucoup: la sophistication de l’ecriture des cordes y est avivée avec finesse et la pianist virevolte avec un mélange d’élégance et d’esprit qui revisite avec fraicheur une partition où bien d’autres ennuient, retrouvant par instants la grâce qu’y mettait jadis Clara Haskil.
Pascal Brissaud-Ecrepont, Classica
Anna Gourari arbeitet das Profil dieser hochindividuellen Werke mit leidenschaftlicher Detailgenauigkeit aus, und Markus Poschner leitet das Orchester mit so souveräner Entspanntheit, dass selbst in den dramatischen Steigerungen des Schnittke-Konzertes oder im dritten Satz der Mathis-Sinfonie der Orchesterklang nie forciert wirkt, sondern immer gestisch ausgeformt erscheint.
Frank Siebert, Fono Forum
Eine exzellente Darbeitung sonst kaum beachteten Repertoires.
Hans-Dieter Grünefeld, Piano News