Pier Paolo Pasolini: Land der Arbeit

Christian Reiner

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The Italian poet, essayist and filmmaker Pier Paolo Pasolini was always an independent and unsparing chronicler of his time. In these texts, he tirelessly denounces social ills in his country; but his Catholic faith and the question of the art of poetry, too, run like strands through his work. "He wanted to celebrate the festival of life, the flower of passion, the flower of play, and finally, as an extreme action, the flower of death, his death," Wolf Wondratschek writes in his accompanying text. In this undertaking, the question of "how close one can come to the meaning of the poems" and "from being an admirer to becoming a poet’s brother" were essential. This year marks the 100th anniversary of Pasolini’s birth.
 
The collaboration between Wolf Wondratschek, Manfred Eicher and Christian Reiner was most recently preceded by the album Joseph Brodsky – Elegy to John Donne (ECM 2513), as well as, in 2012, the Turmgedichte (ECM 2285) with works by Friedrich Hölderlin.
Der italienische Dichter, Essayist und Filmemacher Pier Paolo Pasolini war stets unabhängiger und schonungsloser Chronist seiner Zeit. In den vorliegenden Texten prangert er unermüdlich soziale Missstände in seinem Land an; aber auch sein katholischer Glaube und die Frage nach der Kunst des Dichtens ziehen sich wie Stränge durch sein Werk. „Er wollte das Fest des Lebens feiern, die Blume der Passion, die Blume des Spiels, und zuletzt, als äußerste Aktion, die Blume des Todes, seines Todes.“ schreibt Wondratschek in seinem Begleittext. Bei diesem Unterfangen sei es um die Frage gegangen, „wie nah man der Bedeutung der Gedichte kommen“ könne und „vom Bewunderer zum Bruder eines Dichters werde“. Pasolinis Geburtstag jährt sich heuer zum 100. Mal.
Dieser Zusammenarbeit zwischen Wolf Wondratschek, Manfred Eicher und Christian Reiner ging zuletzt das Album Joseph Brodsky – Elegie an John Donne (ECM 2513) voraus, wie auch, im Jahr 2012, die Turmgedichte (ECM 2285) mit Werken von Friedrich Hölderlin.
Featured Artists Recorded

2021-2022

Original Release Date

18.11.2022

  • 1Land der Arbeit
    (Pier Paolo Pasolini)
    10:03
  • 2Brief an Jewtuschenko
    (Pier Paolo Pasolini)
    02:44
  • 3An den Fürsten
    (Pier Paolo Pasolini)
    01:23
  • 4Bitte an meine Mutter
    (Pier Paolo Pasolini)
    02:34
  • 5Große Vögel, kleine Vögel
    (Christian Reiner, Pier Paolo Pasolini)
    01:41
  • 6Zitat
    (Pier Paolo Pasolini)
    00:35
  • 7Patmos
    (Pier Paolo Pasolini)
    24:31
  • 8Am Quai von Siracusa
    (Wolf Wondratschek)
    01:38
EN / DE
1963 bittet Pier Paolo Pasolini den russischen Schriftsteller Jewgeni Jewtuschenko, die Rolle des Christus zu spielen in seinem Film Das 1. Evangelium – Matthäus. Pasolini wollte einen Dichter und Kommunisten als Jesus. In den von Christian Reiner vorgetragenen Texten des italienischen Filmemachers, Dichters und Essayisten sind der katholische Glaube, die Kunst des Dichtens und die sozialen Probleme in Italien zentral. Das „Land der Arbeit“ ist gleichzeitig eine Gesellschaft der Armen. Im Zug, der durch die italienische Landschaft fährt, sitzen Menschen, denen die Trauer über den Verlust der Vergangenheit anzusehen ist. Ihre Geschichte ist ihnen entzogen worden. Für das lyrische Ich handelt es sich um Figuren, die im Prozess der Industrialisierung seelisch und materiell enteignet wurden. Das Fortschreiten des Kapitalismus ist für Pasolini verbunden mit dem Tod der Bauern und Handwerker, dem Ende der Geschichte. Wolf Wondratschek, der mit Christian Reiner die Texte ausgewählt und gemeinsam mit dem Produzenten Manfred Eicher für dieses Album gestaltet hat, weist in seinem Vorwort darauf hin, dass Pasolini den Kontakt zu einer Welt ohne Klassenschranken suchte, zu den Landwirten, zu den Arbeitern und zum Subproletariat. Der linke Pasolini hat in seinem Text „Patmos“ den Bombenanschlag auf der Piazza Fontana in Mailand am 12. Dezember 1969 literarisch kommentiert. Er verknüpft die Biographien der Ermordeten mit Sätzen aus der Offenbarung des Johannes, mit Hinweisen auf die politische Situation, die neofaschistischen Aktivitäten in Italien. Patmos ist die griechische Insel, auf der Johannes seine Offenbarung verfasst hat.
 
Die CD Land der Arbeit zeigt Pasolini von seiner persönlichen Seite. Er spricht vom Dichten, einer Tätigkeit, die ihm viel Zeit in Anspruch nimmt. Er hat seinen Tod vor Augen, nimmt die abnehmende Lebenszeit wahr, die verlorene Jugendlichkeit. Pasolini ist ein Melancholiker, ein Pessimist, der sich mit größter Kraft für die Armen einsetzt, die Ungerechtigkeiten in Italien kritisiert. Berührend ist die „Bitte an seine Mutter“, die den Charakter eines Gebetes besitzt und deutlich macht, warum Pasolinis Mutter die gealterte Maria in seinem Film über Jesus spielt. Christian Reiner trägt Pasolinis Texte sachlich und unprätentiös vor, dem Rhythmus der Silben folgend. Seine Pausen zwischen den Sätzen und Versen erzeugen den Zusammenhang. Das Pathos ergibt sich aus Pasolinis Empörung über die historische Situation. Wolf Wondratschek nähert sich dem italienischen Künstler auf erzählerischem und lyrischem Weg, in zwei Gedichten und einem erläuternden Text.
 
Dieser Zusammenarbeit zwischen Wolf Wondratschek, Manfred Eicher und Christian Reiner ging zuletzt das Album Joseph Brodsky – Elegie an John Donne (ECM 2513) voraus. Im Jahr 2012 erschien Turmgedichte (ECM 2285) mit Werken von Friedrich Hölderlin, ein Album, dessen Radikalität der Darbietung von der Presse hervorgehoben wurde. „Langsam, fast zeremoniell, doch ohne Pathos, ohne dramatische Zuspitzung. (..) Christian Reiner drängt den Hörer nicht in eine Interpretation hinein, sondern zieht ihn leise ins Zentrum der dichterischen Gedanken.“  Wolfgang Schreiber, SZ)
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