Wenn die Pfade (Senderos) zweier so abstrakt agierender Spieler wie Dino Saluzzi und Jon Christensen sich kreuzen, ist Aufbruch in unbekanntes musikalisches Terrain das Ziel. Der Argentinier Saluzzi hat wie kein anderer das Ausdrucksspektrum des Bandoneons, der charakteristischen „Stimme“ des Tango, ins Universelle erweitert, der Norweger Christensen das Drumming zum ungebundenen, fein nuancierten Klangfarbenspiel entwickelt. ... Es entstand eine Reihe von Duo-Improvisationen und ad hoc eingespielten Stücken Saluzzis, davon vier für Bandoneon solo. Leise, hoch konzentrierte Dialoge zwischen Individualisten, die etwas zu sagen haben.
Berthold Klostermann, Fono Forum
Saluzzi is a master of the bandoneon, the monster accordion that has become the principal instrument of modern Argentinian music. His connection with jazz comes through his devotion to improvisation. This collection of 14 shortish pieces is a good way to get into his music because, as you listen, you gradually absorb the idiom in which he works, its harmonic and melodic language and curiously reticent expressive range. … The only other musician involved is the Norwegian percussionist Jon Christensen, who provides subtle rumblings and rattlings in the background.
The Observer
Vom Sprachrohr der Melancholie, dem Bandoneon, erwartet man nicht unbedingt, in den Dialog mit einem Schlagzeug einzutreten. Andererseits: Dino Saluzzi ist ein Musikerzähler, der sich intelligent von den hübschen Tangoklischees freizuspielen versteht. Seine substanzvollen Elegien durchdringt das Wissen um die Möglichkeiten jazziger Linearität. Seine schwerelosen Rhapsodien sind keine Dienstleistung an Nostalgiebedürfnisse, eher Ausdruck eines Kunstwollens auf der Basis anspruchsvollen Materials, das improvisatorisch paraphrasiert wird. So fusioniert seine Stimme mit den Schlagwerkertupfern von Jon Christensen zu wunderbaren Minimonodramen, in denen rubatoselig mit der Zeit gespielt wird.
Rondo (Austria)
Das Leise und das Laute. Ein Bandoneon und ein Schlagzeug. ... Bei ECM funktionieren solche kleinen Klangwunder noch. ... Spätestens nach Senderos dürfte jedem klar sein, dass Saluzzi längst keine Tango-Nuevo-Klischees mehr bedient. Sein Bandoneon schwimmt wie Treibholz – bereit, überall anzudocken, sich symbiotisch weiterzuentwickeln. Das Unvorhergesehene wird zum Impuls. Und Christensen begnügt sich nie mit der Rhythmus-Funktion: Sein Drumming ist Musik und in Verbindung mit dem schnaufenden Blasebalg, dessen heißem Atem ein Sammelsurium an seltsam flirrenden Erzählungen entströmt, ein Abenteuer. Manches entfaltet sich erst durch die unverstellte Spontaneität, mit der beide zu Werke gehen. Dabei entsteht eine ungeheuer intensive Atmosphäre.
Reinhard Köchl, Jazzthing
Jon Christensen entlockt seinen Becken und Fellen genau diese Farbigkeit und rhythmische Sensibilität, um auf Augen- und Ohrenhöhe mit den großen Bögen und mosaikhaften Einwürfen von Dino Saluzzi kommunizieren zu können. Zumal Saluzzi nicht einer dieser Bandoneon-Spieler ist, die rechts und links vom Tango nichts mehr wissen oder gar erkunden wollen und können. Das südamerikanische Fiebern und Glühen steckt selbstverständlich in Saluzzis Fingern und seinen Blutbahnen. Doch heraus kommen dabei stets in ihrer Zartheit unvergleichliche Melodien, die Christensen selbst dann nicht zerpflückt, wenn er gleichsam Bruchstücke hoch- und dazwischen wirft. Vielmehr werden hier Horizonte aufgerissen, an denen Saluzzis in sich scheinbar versunkene Klanggesten wie auf einem imaginären Netz eingespannt werden und ganz neu zu vibrieren beginnen.
Guido Fischer, Jazzthetik
Deux univers lointains conversent dans une sorte de bulle d’extratemporalité, d’extraterritorialité. Il y a toute la faconde sentimentale du bandonéon latin, la rigueur mathématique d’une batterie nordique, des courses précipitées, des nuages étales, des paysages abstraits, des tachycardies, des abandons … Le tango après le tango, le jazz après le jazz, une musique de libertés et de rigueur.
Le Monde