‚Nahnou Houm‘ enthüllt mit jedem Hören neue, ungeahnte Facetten einer frei assoziierten, mediterranen Fantasie, die an vielen Orten situiert scheinbar disparate Genres wie Barockmusik, arabische Vokalkunst und Jazz miteinander mischt.
Karl Lippegaus, Stereo
Siwan gelingt mit dieser vielschichtigen Aufnahme ein stimmiges Miteinander der der musikalischen Traditionen und Kulturen, wobei immer wieder überraschende Korrespondenzen und Verknüpfungen gelingen: Etwa wenn Farben und Figuren der Barokksolistene und Derya Turkans Kurzhalslaute zu unerwarteter Nähe und Kommunikation finden oder ein feingliedriges Solo Pedram Khavar Zaminis auf der Tombak von einem mystischen, dunkel getönten Keyboard-Sound eines Job Balke grundiert wird. Besonders bewegend übrigens ein unbegleitetes, von Mona Moutchebak auf Arabisch vorgetragenes, traditionelles Liebeslied aus Andalusien. ‚Nahnou Houm‘: ein ambitioniertes und singuläres Opus.
Udo Andris, Jazzpodium
Viele der Stücke sind, mehr als beim Debüt, von einer markanten Traurigkeit durchzogen, die freilich nie in Tristesse gleitet, sondern stets von Ambivalenz und vorsichtiger Hoffnung durchzogen ist. Musikalisch ist das Album noch schwerer zu kategorisieren als der Vorgänger: Jazz ist es nicht, Folk und Klassik zwar schon ein wenig eher, doch ‚Nordic Folk‘ und ‚Alte Musik‘ keinesfalls; eher Nahost-Volksmusik kammermusikalischer Anmutung mit unaufdringlich improvisierten Passagen. Die Algerierin Mona Boutchebak führt mit ihrer eindringlichen Interpretation verschiedensprachiger Texte aus dem 11. bis 17. Jahrhundert die an sich divergierenden Elemente dieses entgrenzten multikulturellen Konzepts zusammen, während Balke Beeindruckendes leistet bei der Schaffung eines gemeinsamen, ausgefeilten Ensembleklangs.
Ingo J. Biermann, Nordische Musik
Während die arabischen und spanischen Texte aus der Zeit von al-Andalus stammen, sind die Kompositionen in der Gegenwart entstanden. Geschaffen hat sie Balke, inspiriert einerseits von den arabischen und andalusischen Musiktraditionen und andererseits von der europäischen Renaissance- und Barockmusik. Die historischen Elemente sind wiedererkennbar, doch Balke amalgamiert sie in eigenständiger Weise zu einem neuen Stoff, der sehnsüchtig und überhaupt süchtig machen kann. Die Musik von Siwan ist ruhig und besinnlich und berührt oft mit elegischen Modi und Melodien.
Florian Bissig, Jazz’n’more
Juxtaposing songs in Arabic with others in Spanish and Ladino, Norwegian composer and musician Jon Balke has spent the last ten years experimenting with the music of Muslim Andalusia. Releasing their first album in 2009, he and Siwan are now back with ‘Nahnou Houm’. While the source material for ‘Nahnou Houm’ (ECM records) continues to be from the same period and is equally as diverse as the original, the approach to the music and the performances has changed. Instead of trying to recreate the music of a past era, Balke and Siwan have taken the lyrics and worked to create music that not only works with the content of the pieces, but also brings them into the world of contemporary composition. Some of the original lyrics date from as late as the 17th century and some from as early as 11th century, but they all share a similar provenance – what is now modern Spain. […] The results are nothing short of spectacular as these seemingly disparate elements combine to create music that not only celebrates the multiple traditions they represent, but finds the common ground between them. […] This recording resonates with music and poetry unlike few albums released these days. Buy it for the lofty ideals it represents, but be prepared to be swept away by its beauty.
Richard Marcus, Quantara
Das eigentlich Erstaunliche an diesem erfrischend unpathetischen Rückblick sind die geradezu organisch wirkenden Brückenschläge zwischen Gestern und Heute. Da wird ein narkotisch ablaufender Ostinato-Bass-Rhythmus, wie man ihn in der Barockmusik aus Variationsformen wie Chaconne und Passacaglia kennt, zum Motor eines Weltmusik-Chansons. Und wenn allein Pedram Khavar Zamini auf der arabischen Bechertrommel Tombak und Johannes Lundberg am Kontrabass zu einer Jazz-Ballade ansetzen, kommt das wie aus einem Guss daher. Die musikalische Koexistenz, hier funktioniert sie wirklich auf höchstem Niveau.
Guido Fischer, Jazzthetik
‘How would Europe and the rest of the world have developed if the three religions (Islam, Judaism and Christianity) had managed to coexist in the aftermath of Al-Andalus?’ That’s quite a big question for any group of musicians to take on, but with ‘Nahnou Houm’ (which translates as ‘We Are Them’) Balke and his collaborators certainly make a compelling case that such investigations can produce remarkable music. Ambient electronics blend with harpsichord and Baroque strings; the words are provided by the likes of Lope de Vega, Ibn al-Zaqqaq and St John of the Cross.
Robert Shore, Jazzwise
Die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit können nur als spektakulär bezeichnet werden. Die scheinbar unvereinbaren Elemente kreieren eine Musik, die nicht nur ihre eigenen unterschiedlichen Traditionen feiert, sondern es schafft, zwischen diesen eine gemeinsame Ebene zu finden. Mit Ausnahme von ‚Ma Kontou‘ – einem traditionellen andalusischen Stück, das auf arabisch gesungen wird, und den Instrumentalstücken ‚Zem Zemeh‘ und ‚Nahnou Houms‘ ist die lingua franca dieser Aufnahme Spanisch. Dies lenkt allerdings nicht von der kulturellen Einheit ab, die die Musik verkörpert. In gewisser Hinsicht ist die Verwendung einer einzigen Sprache der Einheit, die Balke anstrebt, sogar zuträglich. […] alle Musiker gemeinsam erschaffen eine Klangwelt, die einen auf subtile Weise in ihren Bann zieht. ‚Nahnou Houm‘ hat nicht nur den Anspruch, Spannungen zu reduzieren, die von denjenigen erzeugt werden, die mit ihrer Musik eine aggressive und spaltende Rhetorik verbreiten. Auch haben Balke und die Mitglieder von Siwan eine Musik geschaffen, die über rein soziale und intellektuelle Inspiration hinausgeht. Diese Aufnahme bringt wie kaum ein anderes heutiges Album Poesie und Musik in Einklang.
Richard Marcus, Quantara.de