Vielleicht hat Schönberg das Stück 1899 mit ahnungsvollem Blick ins 20. Jahrhundert komponiert. Verklärte Nacht wäre dann kein Gipfelpunkt der Spätromantik, sondern ihr Abgesang. So jedenfalls klingt Schönbergs populärstes Werk, wenn es von Thomas Zehetmair und der Camerata Bern gespielt wird. Mit kühlem Kopf befreien die Schweizer das Stück vom schweren Ballast spätromantischer Tradition und dem pastosen, dunkel raunenden Klang, den man so gerne mit ihr assoziiert. Feinnervig und gläsern transparent wird da musiziert. Die Dynamik ist ins Extrem geweitet, die Tempi wirken - bei sehr zügigem Grundpuls - fantastisch agil. Zehetmair gibt Schönbergs späte Version für Kammerorchester derart kammermusikalisch, dass man glaubt, der originalen Fassung für Streichsextett zu lauschen. Die Wucht der großen Besetzung geht dabei nicht verloren, nur ist die Expressivität nicht auf donnernde Klangmasse angewiesen. Sie entwickelt sich aus einem überwältigenden Detailreichtum, aus überlegen geplanten Spannungsbögen, flirrenden Linien, hitzigen Steigerungen, schneidenden Gesten der Violinen und fein abgemischten Farbvaleurs. ... Zehetmair gelingt nicht weniger als die Wiederentdeckung dieses strapazierten Werkes als wegweisend moderne Partitur. Das ist das Ereignis der CD, das die eigentlich interessanteren, überdies glänzend gespielten Vier transsylvanischen Tänze von Sándor Veress samt Bartóks Divertimento ein wenig in den Hintergrund drängt. Absolut ungerecht. Aber so spannend begann es eben bei Arnold Schönberg.
Oswald Beaujean, Die Zeit
It is no surprise that of these three substantially varied works, it is Veress's Transylvanian Dances that stand out so vividly on this recording. Camerata Bern had a longstanding relationship with the composer, spanning more than 25 years, and the exhilarating fourth movement of the Dances, played here with electrified vigour, is ample testament to this and their stunning treatment of the other works on this outstanding CD.
Tarik O'Regan, The Observer (Classical CD of the week)
Die Camerata Bern ist mit ihren 22 Streichern für Schönbergs intrikate Partitur die Idealbesetzung. Geführt von Konzertmeister Thomas Zehetmair schafft sie eine absolut stimmige Synthese aus feinnerviger Kammermusik und bisweilen an Wagner gemahnende orchestrale Dichte und entfaltet im Wechsel von Solo und Tutti eine überwältigende Farbenvielfalt. Bei Bartók fasziniert vor allem ihr immenser Dynamik-Spielraum zwischen einem fahlen, schwach schimmernden Pianissimo und scharf dreinfahrenden Fortissimo-Einbrüchen. Und die erstmals eingespielten Veress-Tänze geraten zu schwebenden Stimmungsbildern voll anklagenden Heimwehs mit einem wuchtigen "Dobbantós" als Kehraus.
Jörg Hillebrand, Stereo
In der Streichorchesterfassung der Verklärten Nacht wird der Auflösungsprozess der Romantik in eine knappe halbe Stunde gebannt - mit agilen, fluktuierenden Tempi, weiter Dynamik und Farbpalette, irisierendem, detailgenauem Linienspiel, Kontrasten zwischen fahlen, wie ausgedörrten Klängen und gleißenden Höhen der Violinen, zwischen expressivem Drang und spröder Innerlichkeit. Das Streichorchester klingt transparent wie ein Sextett, das die Orchesterfülle aufgesaugt und zersträhnt hat.
Ellen Kohlhaas, Frankfurter Allgemeine Zeitung