It is not Wolfgang Rihm's first setting of the Roman-Catholic Mass of the Dead, nor is it his first large-scale work with a religious slant. In 1995 Rihm was among the 15 composers commissioned by the International Bach Academy in Stuttgart to collaborate on a Requiem of Reconciliation. He was also one of the four composers invited by Helmuth Rilling in 1996 to set the four Gospel versions of Christ's Passion in four different musical idioms, somewhat as a tribute to Johann Sebastian Bach. At the time Rihm took on Luke's account of the Passion. Asked in an interview whether there is a latent religious or spiritual commitment to his works, he replied, 'Perhaps, but in that case allow me to leave it unnamed. If there is a truly religious component in my music, it is a veneration for that which is nameless.'
It thus comes as no surprise that Rihm, in addition to a large orchestra, should call for two women's voices and a boy soprano singing a wordless prayer, as in Requiem of Reconciliation. In Et Lux, too, he has not set the entire text of the Mass of the Dead, but has focused on a few salient lines, especially those used to pray for eternal light for the deceased. He claimed in an interview that the work's main idea, as is often his habit, was to unite a stream of vocal and instrumental melody in which the words, or rather text fragments, are 'remembered'. As in a case of amnesia, they crop up as 'remembered scraps of a context brought to mind one step at a time'.
The work also combines a very wide range of sounds from contrasting spheres. Hints of medieval motets, Renaissance polyphony and the classical string quartet tradition are impossible to overlook. Yet Et Lux sounds like a meditation on isolated elements from the Requiem, which promises hope with its idea of 'eternal light', but which, to Rihm's mind, also has a certain ambivalence: like everything unfathomable, there is something threatening about a never-ending ray of light. Wolfgang Schreiber, writing in the CD booklet, suggests that Rihm's interpretation of the Latin Requiem caused him to delve deeply into this ancient text and challenged him to find an existential answer to the frightening Requiem æternam: 'He scrutinises every textual component separately, examining and turning it, pruning the lines, shifting the syntax. Different words and meanings suddenly appear .... He even finds a gentle, soft, almost weightless inflection for metaphors of mortal fear.' The composer, Schreiber continues, has created a new horizon for the rite of the dead, one devoid of forerunners and conventions, by writing music of translucent yet rigorously constructed sonic relationships: 'In its expressive force, this music can dispense with all rabid vocal and orchestral obsessions.' The archaic Latin is thus transformed into a medium for 'fragile reflection and self-inquiry'.
For this recording, made in the Augustinus Muziekcentrum in Antwerp, Paul van Nevel has, with Rihm's consent, doubled the vocal parts, which were originally sung by solo singers.
Es ist nicht die erste Vertonung der römischen Requiem-Liturgie von Wolfgang Rihm und auch nicht sein erstes größeres, religiös motiviertes Werk. 1995 gehörte Rihm zu den fünfzehn Komponisten des „Requiem der Versöhnung“ im Auftrag der Internationalen Bach-Akademie Stuttgart. Außerdem war Rihm einer der vier Komponisten, die 1996 auf Anregung Helmuth Rillings – gewissermaßen als Hommage an Johann Sebastian Bach – die vier Passionsberichte der vier Evangelisten in vier verschiedenen Sprachen vertonten. Rihm hatte damals für sich die Bearbeitung der Passion nach Lukas übernommen und dabei in einem Gespräch auf die Frage, ob in seinen Werken ein religiöser oder spiritueller Einsatz verborgen sei, geantwortet: „Vielleicht – dann aber erlauben Sie mir, dass ich es namenlos lasse. Wenn es eine wirklich religiöse Komponente gibt bei mir, dann ist es die Ehrfurcht vor dem Namenlosen.“
So verwundert es auch nicht, dass Rihm etwa beim „Requiem der Versöhnung“ neben einem großen Orchesterapparat zwei Frauenstimmen und eine Knabenstimme vorsieht, die ein textloses Gebet singen. Und auch bei ET LUX hat Rihm nicht den gesamten Text der Totenmesse vertont, sich vielmehr auf einige signifikante Textzeilen konzentriert, vor allem jene, mit denen um das Ewige Licht für die Toten gebetet wird. In einem Interview sagte Rihm, bei diesem Werk, wie im übrigen häufig bei ihm, sei die Hauptidee die Verbindung eines Klangstroms von vokalem und instrumentalem Melos, in dem die Texte oder eher Textfragmente „erinnert seien“. Sie tauchten wie in einer Anamnese als „erinnerte Bestandteile eines schrittweise vergegenwärtigten Zusammenhangs auf“
Zudem begegnen sich in diesem Werk unterschiedlichste Klangsphären. Vorstellungen mittelalterlicher Motetten, Vokalpolyphonie der Renaissance und die klassische Tradition des Streichquartetts schwingen unüberhörbar mit. Dabei wirkt ET LUX wie eine Meditation über einzelne Momente des Requiem-Textes, der zwar mit seinem Gedanken des „Ewigen Lichts“ Hoffnung verheißt, im Verständnis Wolfgang Rihms aber auch eine gewisse Ambivalenz aufweist: wie alles Unvorstellbare habe auch ein nie endender Lichtstrahl etwas Bedrohliches.
Wolfgang Schreiber meinte dazu in seinem Essay für das Booklet, die Sinndeutung der lateinischen Totenmesse habe Rihm zum tiefen Hineinhorchen in den alten Text gebracht. Er lasse sich herausfordern zu einer existentiellen Antwort auf das beängstigende Requiem aeternam: „Jeden der Textbausteine nimmt er einzeln in Augenschein, er prüft und wendet sie, er dünnt die Zeilen aus, er verschiebt ihre Syntax. Andere Wort- und Bedeutungsakzente treten jäh in Erscheinung… Selbst für die Metaphern der Todesangst findet Rihm einen sanften, leisen, fast schwerelosen Tonfall.“ Der Komponist schaffe einen neuen, von Vorbildern und Konventionen befreiten Horizont des Totenrituals, indem er eine Musik schreibe, die durchsichtige, dabei streng durchgebildete Klangverhältnisse aufweise: „Diese Musik kann in ihrer Aussagekraft auf alle rabiate Vokal- und Orchesterobsessionen verzichten.“ Das archaische Latein werde so zum Medium einer „fragilen Einkehr, einer Selbstbefragung“.
Für die vorliegende Aufnahme aus dem Augustinus Muziekcentrum Antwerpen hat Paul van Nevel die ursprünglich einfach besetzten Gesangsstimmen, mit Zustimmung Wolfgang Rihms, doppelt besetzt.
Et Lux – Für Vokalensemble und Streichquartett (2009)
Huelgas Ensemble
Axell Bernage, Sabine Lutzenberger: Sopran; Terry Wey, Achim Schulz, Tenor; Stefan Berghammer, Matthew Vine, Tenor ; Tim Whitheley, Guillaume Orly, Bass
Minguet Quartett
Ulrich Isfort, Violine; Annette Reisinger, Violine; Aroa Sorin, Viola; Matthias Diener, Violoncello
Paul van Nevel
Leitung
*Wolfgang Rihms ET LUX ist ein Auftragswerk von KölnMusik, Festival d’Automne Paris und der New Yorker Carnegie Hall für das Hilliard-Ensemble und das Arditti-Quartett, die das Werk auch bei der Uraufführung am 15. November 2009 in der Philharmonie Köln interpretiert haben.