10.02.2023 | Reviews of the week
German and Austrian reviewers on Sir András Schiff’s new recording of music by J.S. Bach on the Clavichord
Das Clavichord spricht mit jeder einzelnen Saite, aber nie mit lauter Stimme, sondern in feinen Nuancen. Was an dieser im Bonner Beethoven-Haus entstandenen Produktion so berührt, ist ihre Intimität, gepaart mit einer Differenziertheit, die Bachs Musik eine eigene Anmut verleiht, etwa in den sonst oft rauschhaft interpretierten Läufen der ‘Chromatischen Fantasie’. Dank der tieferen Stimmung des Instruments (404 Hz) und einer ausgewogenen Balance der Töne untereinander öffnet Schiff hier die Tür zu einem Hörerlebnis, bei dem man meint, in Bachs Stube zu Gast zu sein.
Christoph Vratz, Fono Forum
Ein guter Tag beginnt mit Bach. Der ungarische Pianist András Schiff spielt jeden Morgen ein Stück des barocken Meisters. Nicht etwa auf einem modernen Konzertflügel, sondern auf dem Clavichord. Hat man sich an dessen ungewöhnlichen, gezupften Ton gewöhnt, offenbart sich die filigrane Schönheit der Inventionen und Sinfonien. Schiff, ohnehin ein Meister der Bach-Interpretation, spielt sie hingebungsvoll und entlockt dem Instrument fein nuancierte, zart singende Klänge.
Miriam Damev, Falter
More international reactions to the album Drifting by Mette Henriette
‘Drifting’, Henriette’s second release for ECM is a diaphanous masterpiece of minimalist chamber jazz, free of new-age ornamentals supplied by electronic instruments. Accompanied by only Johan Lindvall on piano and Judith Hamann on violoncello, Henriette leads her quiet trio through 15 original pieces that hang together so delicately that they might blow away at any given moment. Straddling the line between composition and improvisation, ‘Drifting’ forges its own path in its own time. It might not be a startlingly new path, but it’s carved exquisitely. […] stick around often enough and long enough, and you will notice little patterns and surprises along each way. Like the snow-coated cover art, the paradoxical sound of the trio presents a bit of serenity by way of extreme conditions.
John Garratt, Pop Matters
If Henriette is steeped in free improvisation as a method for making music, she is also well versed in using notated scores and structured composition and will use whichever of these methods that serves the music best. Her concern is how the music flows, how the musicians interact, and the space in which it is performed, and she uses as her tools to achieve this an uncanny use of space, silence, dynamics and texture. This is not to say her music is not melodic or rhythmically interesting, but these moments are carefully sculptured by design or in the moment, and in the overall context of the piece that is being performed. There are no solos per se, just an ensemble working as one. […] With ‘Drifting’, Mette Henriette fulfils the promise shown on her debut album and in doing so reveals another perfectly sculptured soundscape, while also giving notice that if we too are patient there is much more to come.
Nick Lea, Jazz Views
Die fünfzehn oft nur zwei, drei Minuten langen Trio-Miniaturen verströmen innere Wärme und höchste Originalität. Wie Mette Henriette durch ihre ureigene Klangwelt driftet, hat fast den Zauber der frühen Bergman-Filme.
Karl Lippegaus, Fono Forum
Wie Morgentau lässt Johan Lindvall in ‘Oversoar’ die Töne aus dem Klavier tropfen. Judith Hamann unterlegt weiches Cellorauschen und Mette Henritte entlockt dem Saxofon einen zarten Hauch und eine dezente Melodie: Vordergründig betrachtet, braucht es wahrlich nicht viel, um eine bezaubernde Atmosphäre zu schaffen. Die hohe Kunst besteht darin, aus dem Kleinen einen Gesamteindruck zu schaffen, in dem jede noch so kleine Bewegung einen Sinn ergibt. Wie virtuos Mette Henriette die Schattierungen ihres Tenorsaxofons beherrscht, verrät ganz nebenbei ihr Beitrag zu ‘Indrifting You’. Hier und in den anderen dreizehn Stücken gilt: Niemand drängt sich nach vorn. Wer im Vordergrund steht, dominiert keinesfalls das Geschehen, sondern ragt nur eine Nasenspitze weit hervor. Diese drei sind Virtuosen des Zarten, Fließenden, Verbindenden, Liebevollen.
Werner Stiefele , Rondo
In questi giorni è uscito un disco programmatico fin dal titolo sulla fluttuazione, il disegno tratteggiato in aria, l’indicibilità di un jazz che è pura sospensione ed assomiglia molto a quanto notato prima, senza esserne copia conforme. Il disco si intitola ‘Drifting’, e il verbo sta a indicare proprio la sensazione di ‘scivolare, passare da una cosa all’altra’ che si ricava all’ascolto di queste magnifiche note.
Guido Festinese, Il Giornale della Musica
UK and Belgian reviewers on A Short Diary A Short Diary by Sebastian Rochford with Kit Downes
Written and recorded at his family home following the death of his father, the poet Gerard Rochford, the pieces that make up this short album might be a meditation on grief; and whilst some of the tunes are as somber as that suggests, there’s no grief without love: there’s also touches of joy. It is a thoughtful, sensitive record, full of tender moments.
Patrick Hadfield, London Jazz News
Un album de la mémoire, dépouillé et profound, dense et retenu, qui résonne longtemps dans les oreilles.
Jean-Claude Vantroyen, Le Soir
Italian and German reactions to Thunder, the new album by Stephan Micus
Micus è sempre stato un musicista vero, cioè un artista che crea melodie – inusuali, questo sì – e strutture armoniche insolite. La contrazione spazio-tempo si riduce ad un atomo originario, ad un momento potenziale e nulla di più. Allora, in questa nuova prospettiva atemporale, potremmo saper cogliere, citando Ouspensky, che a sua volta si rifà a Gurdjieff, degli autentici frammenti di un insegnamento sconosciuto, abbandonando il mondo dell’esplicito per approdare alle sponde dell’Essere, dove tutto nasce dal silenzio e lì ritorna. (…) Micus lavora sulle tradizioni culturali musicali preservando un suo personale candore, immergendovisi spirito e corpo ma non rinunciando mai alla propria creatività, al proprio essere musicista che assorbe attivamente lavorando sulle tradizioni stesse, anziché farsene passivamente compenetrare.
Riccardo Talamazzi, Offtopic Magazine
Stephan Micus schafft auch auf seinem neuesten, dem 25. Album seit 1977 für ECM, eine grundlegende Verbindung zwischen dem leidenschaftlich forschenden Klangethnologen und dem überzeugenden wie feinsinnigen Musiker. So ist auch ‘Thunder’ das Ergebnis von weiten Reisen in die entferntesten Gegenden unserer Welt, in denen ein völlig andersartiges Verhältnis zum jeweiligen Lebensraum und zur Schöpfung prinzipiell besteht. Hier bestimmen zum Großteil noch Respekt und Ehrfurcht vor der Natur den Alltag […] All diese Gedanken, Inspirationen und Instrumente, deren Herkunft zum Teil tausende Kilometer voneinander entfernt liegen, bringt Stephan Micus auf ‘Thunder’ miteinander in emotional pulsierende Kommunikation, schafft tief greifende Beziehungen untereinander, wo man sie gar nicht vermutet. Er beherrscht als Solokünstler die Kunst der Überleitung und straft mit seinem globalen, friedfertigen Einfühlungsvermögen alle jene Lügen, die meinen in voneinander abgegrenzten Wertesystemen leben und denken zu müssen. Bei ihm ist dieses Weltverständnis keine Illusion, sondern gelebte, musizierte Realität.
Jörg Konrad, Kultkomplott
Sein meditativer Trip wirkt nicht nur auf Anhieb äußerst therapeutisch wie eine Art Stress-Swiffer, der alle Unruhe aus dem Körper zieht, sondern Micus’ behutsame Arrangements verraten auch unglaublichen Tiefgang sowie eine intensive Beschäftigung mit der Materie. Nicht zuletzt sind sie berauschend schön.
Wolf Kampmann, Eclipsed
Last Decade by Benjamin Lackner is reviewed in the US and Germany
‘Last Decade’ contains song after luminous song in which Lackner postulates a crystalline idea and a rapt mood and Mathias Eick deepens both. The title track and ‘Open Minds Lost’ are especially strong examples of this band’s pure, searching lyricism. Lackner sounds so patient, waiting to place each note until its moment arrives. Eick’s trumpet sound is a revelation of golden light. He respects Lackner’s melodies and even as he finds new implications within them. […] Drummer Manu Katché, a leader in his own right, enlivens this music from within. Jérôme Regard’s solo bass track ‘Émile’ is a haunting two-minute interlude in the flow of the album.
Thomas Conrad, Stereophile
Ein große Gelassenheit strahlt dieses Album aus, die Ruhe des frühen Morgens, das Durchatmen am späteren Abend. Und natürlich past ‘Last Decade’ perfekt zu dieser eher stillen Jahreszeit, zu gedämpftem Licht und langen Abenden mit genügend Zeit in den neun eher kurzen Nummern immer Neues zu entdecken. Bisher hat Benjamin Lackner vor allem auf kleinen Labels veröffentlicht, weshalb er vor allem von ausgemachten Jazz-Kennern wahrgenommen wurde. Möge sein ECM-Debüt das ändern. Verdient wäre es jedenfalls.
Holger True, Hamburger Abendblatt
More German reviewers on the album Once Around the Room – A Tribute to Paul Motian by Jakob Bro and Joe Lovano
Es ist ein spannendes, weil schwieriges Album, das einen zu 40 Minuten Höchstkonzentration nötigt. Weil die Stimmung, die Jakob Bro und Joe Lovano gemeinsam mit drei (!) Bassisten (Larry Grenadier, Thomas Morgan, Anders Christensen) und zwei Drummern (Joey Baron, Jorge Rossy) generieren, ständig kippt. Sie kontrastieren ekstatisch bordelnde Tutti mit filigranen Klanggespinsten, deren atmender Fluss ferne Echos von Paul Motian trägt, dem dieses Opus gewidmet ist. Man ringt mit der subtil differenzierten Klangpracht in atemloser Begeisterung.
Sven Thielmann, Stereo
Bro und Lovano luden für die Sessions drei Bassisten und zwei Drummer nach Kopenhagen ein. Stücke wie das von Lovano konzipierte zehnminütige ‘For The Love Of Paul’ oder die kollektive ‘Sound Creation’ verschneiden den sensiblen Feingeist und die chaotisch anmutende und doch raffiniert strukturierte Unruhe, die für Paul Motian typisch waren. […] Mit ‘Drum Music’ findet sich auch ein Werk aus Motians eigener Feder auf diesem faszinierenden Album – mit Joey Baron und Jorge Rossy an den Drumkits. Bro und Lovano improvisieren hier über dem Donnergrollen der Schlagzeuger mit leidenschaftlicher Hingabe. Das Ganze ist ein großes Erlebnis.
Jens-Uwe Sommerschuh, Sächsische Zeitung
Ein ungewohnt und groß besetztes Ensemble, das trotzdem sensibel und transparent rüberkommt – so wie es der gefeierte Schlagzeuger nun mal bevorzugte. Gitarrist Jakob Bro versucht hier erst gar nicht Motians Favoriten Bill Frisell zu ersetzen, sondern geht eigene Wege: mal mit warmem aber klaren Ton, dann mit verfremdeten E-Gitarrenklängen, die sich im letzten Albumtrack ‘Pause’ in tefen Hallräumen und ein paar wunderschönen Arpeggios auflösen. Hier waren sensible Musiker und Könner mit großem Respekt an der Arbeit. Ein beeindruckendes, modernes Jazz-Album.
Lothar Trampert, Gitarre und Bass