02.05.2025 | Reviews of the week

Reviews of the week

The freshly released album Arcanum by Arve Henriksen, Trygve Seim, Anders Jormin and Markku Ounaskari attracts acclaim in the USA and Germany

 

The music, often delicate and gentle, is strongly expressive, and Seim’s opening track ‘Nokitpyrt’ is a testament to their fluidity and musical character. Reading backwards, the title means ‘Triptycon’, a clear reference to the iconic trio album by Jan Garbarek, Arild Andersen, and Edward Vesala, released in 1973. The well-delineated melody doesn’t hinder the musicians from diving further into free creation. […] As fresh and full of promise as a spring morning, ‘Arcanum’ sweeps across the smoothly explorative spectrum in a reflective mood. Fertile imagination never needed pyrotechnics, and there’s way in for casual listeners.

Filipe Freitas, Jazz Trail

 

Jeder hat seinen individuellen Horizont eingebracht, außer Arve Henriksen auch jeder eigene Kompositionen, und so ist ‘Arcanum’ ein weiträumiges und multiples Gebilde. Dass die beiden Bläser die Musik am nachdrücklichsten zu prägen scheinen, liegt fast in der Natur der Sache, schließlich bildet das Melodische etwas wie die Vorderseite der Musik. Aber ein bisschen täuscht diese Vordergrund-Hintergrund-Relation auch. Henriksen und Seim machen es niemandem ganz leicht. Das erste Stück, ‘Nokitpyrt’, beginnt mit einem freisinnig und zweistimmig gespielten melodischen Thema, Trompete und Tenorsaxofon laufen lässig, hingebungsvoll und nicht völlig synchron (im Vordergrund) nebeneinander her, und schon kann man sich finden und verlieren in einer weiten Klanglandschaft voller mehrdeutiger Linien und Konturen. Kunstvoll tragen Bass und Schlagwerk die Weiträumigkeit mit. […] Seim und Henriksen haben an spieltechnischen und klanglichen Erweiterungen ihrer Instrumente gearbeitet. Henriksen verwendet unterschiedliche Mundstücke, glissandiert zuweilen mit halb gedrückten Ventilen und erzeugt allerlei Klänge, die man einer Trompete nicht unbedingt zutrauen würde. Seim schafft auf dem Tenorsaxofon sanfte Mehrklänge, erstaunliche Klangvariationen und ebenfalls glissandierende Tongebilde. So hat man es hier mit zwei mehrdimensionalen Melodieinstrumenten zu tun, die oft an exotische Blasinstrumente eher östlicher Herkunft erinnern. Der musikalische Kosmos, in dem sich das alles abspielt, ist der einer tonal frei angelegten, ganz und gar zeitgenössischen improvisierten Musik und zugleich einer irgendwie folkloristischen Grundlegung mit filigranen Strukturen und vierfach feinsinnigen Klangebenen. Wie man das alles auf einem Album zusammenbringt? Ein Geheimnis.

Hans-Jürgen Linke, Frankfurter Rundschau

The new album After The Last Sky by Anouar Brahem with Anja Lechner, Django Bates and Dave Holland fascinates an Austrian reviewer

 

Mit Pianist Django Bates und Kontrabassist Dave Holland (mit dem er schon 1998 im Trio mit John Surman das famose ‘Thimar’ einspielte) harmonierte er schon bestens auf seinem letzten Album ‘Blue Maqams’ (2017). Mit der Klassik-Cellistin Anja Lechner, die manche seiner Kompositionen in ihr eigenes Konzertrepertoire aufgenommen hat, ist er seit dem gemeinsamen Trio-Album ‘Lontano’ (2020) mit François Couturier bestens vertraut. Man kennt einander also und erreicht mühelos einen perfekten Band-Sound, was nicht bedeutet, dass glänzende Soli oder spannende Dialoge zu kurz kämen. Ganz im Gegenteil. Im wundervoll melancholischen, kammermusikartigen Intro ‘Remembering Hind’ setzen Bates und Lechner die Grundstimmung des Albums, und die Zartheit ihres Duo-Spiels in ‘Edward Said’s Reverie’ ist atemberaubend. Das impulsive ‘The Eternal Olive Tree’ wiederum zeugt vom symbiotischen Verhältnis zwischen Brahem und Holland und erinnert an den berühmten Spruch des Oud-Meisters, Daves Spiel verleihe ihm Flügel. Einmal mehr sucht Anouar Brahem nach Wegen, in seinen Eigenkompositionen die arabischen Maqams und ihren melodischen Reichtum in Kontexte improvisierter Musik, des Jazz und zeitgenössischer europäischer Musik zu integrieren. […] Genau das gelingt ihm auch mit seinem kraftvollen und wendigen Spiel auf der Oud, in dem Archaisches auf das Hier und Heute trifft. Dave Hollands Bassspiel sorgt für die solide Grundierung, treibt an und liefert wichtige Impulse. Django Bates unterstützt diesen musikalischen Fluss auf perfekte Weise, sorgt für Stimmungen und brilliert mit wenigen, aber umso leuchtenderen solistischen Glanzlichtern (‘Awake’). Anja Lechners warmer Celloklang bereichert die musikalische Atmosphäre ungemein, ihre Soli erwärmen das Herz und ziehen einen völlig in den Bann. […] Und über alles breitet sich eine süchtig machende Schönheit.

Peter Füssl, Kulturzeitschrift

More international acclaim for the new album Homage by Joe Lovano with the Marcin Wasilewski Trio

 

While the solo tracks certainly pull the listener deeper into Lovano’s dreamy, stream-of-consciousness lyricism, the album is most compelling when the players combine their voices. This is underscored on the title track, a free improvisation that finds Lovano spiraling melodic ideas off Wasilewski as the trio responds in kind. With ‘Homage’, Lovano and Wasilewski remain adventurous, kindred spirits.

Matt Collar, All Music Guide

 

Lovano is definitely right at home with introspection. On each track he says his piece with embellishments that never exaggerate the frills. This is just the sort of understatement that one often encounters on ECM releases and encourages focus on the part of the attentive listener. Those encounters are due, for the most part, to the production efforts of Manfred Eicher. Lovano composed the title track of the album to celebrate Eicher’s 80th birthday. In that respect, this is a landmark, not only of Eicher but also of that distinctively subdued approach to invention that one encounters so frequently not only in Lovano’s work but also on so many other ECM albums.

Stephen Smoliar, The Rehearsal Studio Blog

 

Enregistrè après de nombreux concerts et au cours d’un engagement au Village Vanguard qui en a vu naître et mûrir le repertoire, ‘Homage’ est un authentique chef-d’oeuvre.

Franck Bergerot, Jazz Magazine (‘Choc’)

 

Wasilewskis Trio ist mit seinem gelegentlich sehr polnisch barocken Pathos sowohl produktiver Kontrast zu Lovanos lyrisch introvertiertem, im Klang verletzlichem Tenorsaxofon als auch sublimer Partner in der gemeinsamen Verfertigung der Gedanken im Fluss der Improvisation. Das, worin Lovano Ursprung und Movens seiner Kunst sieht: ‘the spirit of now.’

Peter Rüedi, Weltwoche

 

Das Marcin Wasilewski Trio ist eines der meisterhaften Klaviertrios unserer Zeit, dessen Musik sich um einen legendären Bläser herum entwickelt hat: Tomasz Stanko. Als wäre der Atem eines expressiven Spielers etwas, was eben mit dieser Triomusik mitschwingt und zu ihr gehört, steigt Joe Lovano mit dem Marcin Wasilewski Trio zu schwindelnden Höhen auf und landet in seelisch ergreifenden Tiefen. Die vier überwinden spielend einen Graben, den es in ihrer Musik sowieso nicht gibt, zwischen Osteuropa und USA. […] Die Ballade ‘Love in the Garden’ ist ein zärtliches Meisterwerk und ‘Giving Thanks’ ein raffiniertes Solostück Joe Lovanos, der am Saxofon Jazzgeschichte mitgeschrieben hat.

Mauretta Heinzelmann, Norddeutscher Rundfunk (‘Jazzalbum of the month’)

 

Wie schon auf ‘Arctic Riff’ (2020) hat sich der US-Saxofonist Joe Lovano mit dem Trio des polnischen Pianisten Marcin Wasilewski zusammengetan. Beide sind herausragende Lyriker, suhlen sich aber nicht im Schönklang, sondern überraschen – kongenial unterstützt von Slawomir Kurkiewicz (b) und Michal Miskiewicz (dr) – durch quecksilbrige Improvisationsfreudigkeit, die Poesie und Punch aufs Bestechendste zu vereinen weiß. Fraglos jetzt schon ein Album des Jahres.

Klaus Nüchtern, Falter

A German daily paper on the new album Watersong by Savina Yannatou and Primavera en Solonico with Lamia Bedoui

 

Bei Yannatou gehört überdies die frei improvisierte Musik zum Betätigungsfeld, doch an experimentellem Wagemut und motivischem Ideenreichtum steht ihr das Sextett in nichts nach. So gelingt diese zeitgenössische Erweckung tradierter Volkslieder quasi per Handstreich und wird einem nicht zum hundertsten Mal als brave Versöhnung von Tradition und Moderne angedient. Von Beginn weg ist man im Bann von der Stimme Yannatous’, die schon in den sparsam instrumentierten ersten paar Stücken enorm wandlungsfähig und markant ihre Register zieht – manchmal auch im Duett mit Lamia Bedioui aus Tunesien, die eine ganz andere Stimmfärbung mitbringt, aber ebenfalls gern ins Risiko geht. Spätestens auf halber Strecke, als Kyriakos Gouventas in ‘The Immortal Water’ zu einem fulminanten Geigensolo ansetzt, verausgaben sich dann mehr und mehr auch die Begleitmusiker, manchmal wird es überbordend musikantisch. […] Man überlässt sich gern diesem Reigen von Fragen und Antworten, die nicht nur zwischen den beiden Sängerinnen hin und her gehen, sondern auch mal zwischen Yannatous Stimme und der Nay von Harris Lambrakis. Der markiert mit seiner dunkeltönenden Rohrflöte auch einige Sologlanzpunkte, während der Oud-Spieler Yannis Alexandris mit dem wunderschönen Intro zu ‘The Immortal Water’ seinen exponierten Auftritt hat. Alles in allem ein überzeugender musikalischer Prozess – unvergleichlich lautmalerisch, aber nie pittoresk.

Andreas Schäfler, Junge Welt

A UK reaction to the album Defiant Life by Vijay Iyer with Wadada Leo Smith

 

The mood is generally subdued and sombre. Smith’s haunting ‘Floating River Requiem’ is dedicated to Congolese prime minister Patrice Lumumba, assassinated in 1961 – an anti-colonialist hero, and one of a long line of victims of imperialism, Belgian and otherwise, in the Congo. Iyer’s Kite is dedicated to Palestinian writer and poet Refaat Alareer, killed in 2023. Iyer generates high-pitched organ-like electronic sweeps and swells on the lugubrious ‘Sumud’. ‘Elegy: The Pilgrimage’ is perhaps the most powerfully affecting track. Wadada Leo Smith’s playing shows how the Miles Davis sound has become dominant in jazz – though Smith’s tone is perhaps fuller overall than the master’s. […] Their work is cerebral in the best sense – thoughtful and reflective, intelligent and moving. ‘Defiant Life’ is a beautiful and compelling release.

Andy Hamilton, Jazz Journal

The vinyl-reissue of Chick Corea’s Piano Improvisations Vol.1 within the Luminessence-series impresses reviewers in the USA and Germany

 

The solo piano format reveals a pianist’s strong and weak points. Alone at the keyboard, chick shows no weak points: What he does show on this splendid recording, is his undeniable command of the piano, his broad knowledge of musical genres and his gift for creating, melodic, improvisational statements.

Eugene Holley jr., Hot House

 

Technisch war der an Klassikern, Romantikern und Impressionisten geschulte Pianist über jeden Zweifel erhaben […] Fünf einzelne, laut Corea spontan entstandene Stücke finden sich auf der A-Seite, die Suite ‘Where Are You Now’ auf der B-Seite. Stilistisch gespannt zwischen sehr intimen, versunkenen Momenten, ab und an zündendem Latin-Feuer und – wenigen – atonalen Ausbrüchen. Das lässt sich wie auch Jarretts ‘Facing You’ und Bleys ‘Open, To Love’ stressfrei hören, der Vergleich der Individualstile fordert indes konzentriertes Zuhören, das aber definitiv lohnt. […] Das von Manfred Eicher produzierte Werk ist wie sein in den gleichen Sessions aufgenommener Nachfolger ‘Piano Improvisations Vol. 2’ längst ein Klassiker.

Lothar Brandt, Mint

A Belgian reaction to the album Lullaby by Mathias Eick

 

Ce qui touche particulièrement dans ces huit morceaux qui forment ‘Lullaby’, c’est l’osmose totale avec les trois musiciens qui l’entourent […] Mathias Eick offre des mélodies superbes, les quatre musiciens les magnifient de leurs solos et de leurs interactions.

Jean-Claude Vantroyen, Le Soir