21.10.2022 | Reviews of the week
More French, German and Austrian reactions to the live recording from Bordeaux by Keith Jarrett
Les traces discographiques de ses prestations deviennent précieuses, particulièrement celle-ci à Bordeaux où les treize pieces improvisées sont d’ une élévation et d’un lyrisme qui rappellent de façon émouvante le Köln Concert ou ceux de Brême et Lausanne […] improviser avec cette grâce continuelle, cette fraîcheur d’inspiration toujours présente, est la marque d’un très grand musicien.
Jean-Pierre Jackson, Pianiste
Avec cet album, c’est un cycle qui se referme et une vie qui s’achève. […] Ici, des tempêtes, des orages mais aussi des arcs-en-ciel, toute une science de la musique obéissant aux lois de la biologie avant que le musicien ne se reture à jamais dans sa forêt.
L.P., Journal du Dimanche
Das Album enthält einige lyrische Momente, die sofort berühren. Etwa ‘Part IX’ klingt wie ein vergessener Evergreen. Es ist aber eine Improvisation Jarretts und keine Interpretation eines Stücks. Auch ‘Part XI’ zum Beispiel ist ein Konzertmoment von bezwingender Schönheit. Der dürfte auch Fans nicht kaltlassen, die jede Note dieses viel gefeierten Improvisators kennen. Hat er jemals zärtlicher gespielt? Mit noch mehr Sinn für innige Melodien und für ein wohldosiertes Maß an Pathos? […] Das ist Jarrett zum genüsslichen Hineinsinken. 13 Teilstücke enthält das ‘Bordeaux Concert’, und diese Teilstücke haben sehr viele nachdenkliche und – hier nochmal das Wort, denn es gibt kein besseres – innige Momente zu bieten. […] Es gibt auf dem Album aber auch ganz nervöse, unbequem verzahnte Passagen, die etwas Grimmig-Verbohrtes haben und dann in extrem kantiger Energie münden. Das ist bei ‘Part V’ der Fall. Ein Keith Jarrett, der sein Publikum offenbar nicht nur schwelgen lassen wollte, sondern auch die Unruhe einer Zeit einfing, die seitdem noch viel unruhiger geworden ist. Hier drückt dieser Künstler Stimmungen aus, die heute, sechs Jahre nach diesem Konzert, den Nerv treffen. Er verblüfft – auch mit der x-ten abendfüllenden Improvisation. […] Das ‘Bordeaux Concert’, das wie ein großes musikalisches Fragezeichen an die Zukunft wirkt und dementsprechend leis und mysteriös verklingt, lässt mich jetzt seit Tagen nicht mehr los: ein Jarrett-Album zum besonderen Hinterher-Sinnen.
Roland Spiegel, Bayerischer Rundfunk
Ein Konzert von atemberaubender Schönheit insgesamt, gelegentlich so klar und abgeklärt in Part II (das anfängt wie aus Mittelasien importiert und sich selbst groovend ins Wort fällt), doch manchmal tatsächlich harmonisch abgleitend wie in der Mitte von Part VI (bei 1:47/48) – aber selbst da macht er noch das möglichst beste aus den ‘Verfahrungen’. So ist das eben, wenn man auf sich selbst gestellt ist und die komplexen Geflechte kaum noch zu bändigen sind. Das passiert auch in Part VII wenn man ganz aufmerksam hinhört. So, als ob Keith Jarrett dann zu viele Fäden auf einmal verstricken würde. Aber das ist das zugleich so Einnehmende des konzentriertesten Livespiels von Jarrett, er findet immer wieder eine musikalisch plausible Lösung, um den Faden wieder aufzunehmen und in einer überraschenden Wendung weiterzuverarbeiten.
Martin Hufner, Neue MusikZeitung
Das Publikum sollte an diesem Tag im Auditorium der Nationaloper einen Pianisten auf dem Höhepunkt seines Schaffens erleben, einen Mann, der mit einer 13-teiligen Suite seine Seele freilegte, der irgendwie typischen Jarrett bot. Der mal aufwühlend duster, mal zart und fragil spielte, der Begleitfiguren tänzeln ließ, der seine Musik zum feierlichen Schreiten brachte, der Formbewußtsein gegen manch offenes Ende stellte, der selbst das Pedal als Rhythmusvorgeber einsetzte, der alle Anwesenden durch das gesamte Spektrum der Gefühle mitnahm.
Ssirus W. Pakzad, Jazzthing
Es beginnt wie ein frisch geöffneter Rotwein aus der Region – voller Tannine. Jarretts Gerbstoffe bestehen aus vielen verminderten Akkorden, rhythmisch komplex gesetzt. Mit jedem weiteren Stück, die meisten davon sind relativ kurz gehalten, rundet sich das musikalische Aroma, dazwischen findet sich auch etwas Restsüße in Gestalt einer Blues-Spielerei. Jarrett 2016: großer Jahrgang!
Oliver Creutz, Stern
Erstaunlich ist am Mitschnitt dieses Konzerts nicht nur der festgehaltene Moment der einzelnen Teile, sondern das übergeordnete Konzept der Suite, das voll und ganz aufgeht, da Jarrett weite Bögen schlägt und Fäden, die er an einer Stelle fallenlässt, später wieder aufnimmt. Das alles zeugt von einer hingebungsvollen Achtsamkeit dem eigenen Werk gegenüber, die Teil der faszinierenden Intensität dieser Musik ist.
Sebastian Meißner, Sounds and Books
Jarrett ist in der französischen Hafenstadt, wenn man das so sagen darf, in bestechender Form. Er improvisiert überwiegend kurze Stücke, deren Titel fortlaufend nummeriert sind. Aber auch in diesen knappen Songs steckt der ganze Jarrett’sche Kosmos, dem wir seit Jahrzehnten erlegen sind, der sich als ein Mosaik aus traditionellem Jazz, aufblitzenden Standardmelodien, entspannten Melancholien, konzentrierten Improvisationen und klassischen Diskursen zusammensetzt. Doch im Grunde reichen diese Beschreibungen kaum aus, um die vorliegenden Klangwelten zu charakterisieren, denn wir hören auch folkloristische Zwischenspiele, Widersprüche aus der Moderne, sperrige Impressionen und tropfende Arpeggios. Alles greift bei seinem Klavierspiel ineinander, ist wie ein einziger großer Fluss, mit reißenden Stromschnellen und friedlichen Zonen, mit gefährlichen Untiefen und geheimnisvollen Abgründen. Jarrett ist in der Lage, mit ganz wenigen Harmonien und Akkorden musikalische Kostbarkeiten entstehen zu lassen. Er wäscht voller Wehmut Gold aus dem Alltag und beflügelt damit jede Form der Poesie.
Jörg Konrad, Kultkomplott
Keith durchbricht alle Stilgrenzen und schaltet mit exzellentem Einfühlungsvermögen Klischees aus. In Bordeaux bevorzugte Jarrett mehr lyrische Impulse und weicht auch in dieser Beziehung einem trivialen Zugang brillant aus. Die 13-teilige, improvisierte Suite ähnelt intimer Kommunikation mit dem Publikum.
Ernst Weiss, Concerto
The album Face à Face by Barre Phillips and György Kurtág jr. is reviewed in an Austrian music magazine
In diesen prägnanten Fragmenten legt einer der beiden spontan ein bestimmtes Tonmaterial fest, welchem Klangereignis der Einfallsreichtum des anderen entweder durch Beharren oder Abweichen antwortet. Auf Phillips’ akustischem Brett entstehen natürliche Harmonien, col legno Interpunktionen und atonale Klagen, Permutationen einer wunderbar hermetischen Sprache, die ihre Daseinsberechtigung nur in sich selbst sucht und, einmal gefunden, so einen wenn auch schwierigen Kontakt mit einem zunächst fremden Gegenüber herstellen kann, mit entgegengesetztem Vorzeichen, aber ebenso wechselhaft und selbstbezogen. Kurtágs subtile Interventionen respektieren seinen altmeisterlichen Kollegen und durchdringen dennoch den gesamten stereophonen Klangraum mit fremden Scherben und Texturen, Echos exotischer Perkussion und Reminiszenzen dramatischen Sci-Fi-Radio-Sounddesigns.
Achim Doppler, Concerto
UK and German media on the new duo album The Song Is You by Enrico Rava and Fred Hersch
The pairing of Hersch’s extraordinary prowess at the keyboard and Rava’s ravishingly beautiful and fluid flugelhorn is a match made in heaven. The choice of repertoire is inspired with a selection of standards and an original composition a piece by Rava and Hersch, and every piece appears to be complete but leaving one with a sense that there is more to be said. […] If Hersch’s playing is less busy, Rava’s flugelhorn is positively sparse and fragmentary, and when allowed to flow is wonderfully supported by the pianist. As if the two musicians are having a conversation about the tune, and what can be done. […] A beautiful and deeply passionate album that hopefully signals the beginnings of a fruitful collaboration between two master storytellers.
Nick Lea, Jazz Views
Wie Rava und Hersch miteinander umgehen, sich nie überspielen und im Laufe ihrer klugen Auswahl an Standards, Eigenkompositionn sowie einer spannenden ‘Improvisation’ Trompete und Flügel zu einem eigenen Instrument verzahnen, das ist einzigartig. Die Platte des Jahres?
Reinhard Köchl, Jazzthing
First UK and German reactions to Benjamin Lackner’s ECM-debut Last Decade
German-American pianist Benjamin Lackner makes his ECM debut with a stunning line-up on ‘Last Decade’. Trumpeter Mathias Eick, drummer Manu Katché, and bassist Jérôme Regard join the pianist on a wonderful set of tunes, filled with character, subtlety and imaginative interplay. […] For their first outing as a quartet, the foursome have forged a distinct sound together, to the point that it would be easy to think they’d been on the road together as a quartet for years. The nine tunes presented on this recording offer a captivating selection of sensitive lyricism, subtle grooves, and free-flowing solos. […] The music unfolds naturally on each and every track. Made up of almost exclusively Lackner originals, there’s a genuine authenticity to the group’s sound that I feel will stand the test of time, hopefully encouraging more recording as a quartet in the future.
Mike Gates, UK Vibe
With a string of trio albums under his belt for other labels, pianist Benjamin Lackner looks for fresh new sounds and concepts for his music, and finds them in abundance on his ECM debut, ‘Last Decade’. Expanding his usual trio to a quartet may not seem such a huge step, but as Lackner points out it has forced him to focus on the trumpet as the lead voice and he has had to rethink his own role as accompanist. To this end, the pianist has composed eight new pieces that meet the new challenge not just head on, but with spectacular results. For a new band there is a new concept and sound. Lackner embraces this and has created a focussed yet spacious quartet sound that floats with an easy grace and lyricism that is greatly appealing. In addition, the group also love a good groove, and this too can be heard and felt as the four musicians take delight in each other’s playing. […] This is another fine leader debut from an artist who clearly has much to offer in terms of his sensitive and distinctive piano playing and strong compositions.
Nick Lea, Jazz Views
Dass der erste Titel ‘Where Do We Go From Here’ heißt, könnte ins Metaphysische der Religionen verweisen. Oder aber ganz einfach die Frage stellen: Die ersten Töne sind gespielt. Wie geht es weiter? Die Antwort kann für alle neun Titel gelten: mit einem unaufdringlichen Ensemblespiel, in dem nicht das Ego des Einzelnen in den Vordergrund gerückt wird, sondern das Gemeinsame, Offene, mit dem Mut zur Lücke und um Raum für die Partner Ausgestattete. Im Verlauf der Stücke schmiegen sich Kontrabass und Klavier, Trompete und Klavier, Kontrabass und Schlagzeug und sehr oft auch alle vier Instrumente aneinander. Ein Solo ist hier kein Schaustück für den Solisten, sondern ein ins Gesamtgeschehen integriertes Nachvornetreten, als drehe es sich bei allem um eine Dekade der Gleichberechtigung und des aufmerksamen Zusammenwirkens.
Werner Stiefele, Rondo