06.12.2024 | Reviews of the week

Reviews of the week

Anja Lechner’s cello solo recording with works by Bach, Hume and Abel is acclaimed by media in the UK and Germany

 

Conceptually, the idea here is that Lechner’s cello becomes the medium through which three composers, straddling three centuries, writing  in entirely different contexts, are united around the story of the viola da gamba. […] Sitting at the programme’s heart are the first two Solo Cello Suites of JS Bach, their language still slightly informed by that of the solo viola da gamba repertoire, and interpreted by Lechner under the inspiration of that older solo instrument’s tonal language. Further blending of the centuries comes through her using a baroque bow with her modern cello. […] If you’re interested in a world in which the viola da gamba and cello repertoire smoothly, atmospherically blend, you’ll find plenty to enjoy here.

Charlotte Gardner, Gramophone

 

Weich und elastisch führt Anja Lechner den kurzen Barockbogen über die Saiten. Die Töne bekommen Luft zum Atmen, führen mal muntere, mal nebulöse Selbstgespräche. Anja Lechner richtet den Blick mit Hume auf die Zeit vor Bach und sie schaut mit Carl Friedrich Abel in die Zukunft. […] Anja Lechner verbindet die komplett unterschiedlichen Persönlichkeiten von Hume, Bach und Abel auf diesem Album. Bach erscheint so in einem neuen Licht.

Sylvia Schreiber, Westdeutscher Rundfunk

US, Swiss and German reviewers on the live album The Old Country by Keith Jarrett with Gary Peacock and Paul Motian

 

When Keith Jarrett recorded ‘Live at the Deer Head Inn’ in 1992, and ECM released the recording in 1994, the musical and drumming world went crazy. As he did from 1967 to 1976, drummer Paul Motian was playing with Keith Jarrett again!!! But this time it was in a trio, and drummers rejoiced. Now almost 20 years later, we find out that there is enough music to prove an entirely new recording from the trio’s stay at this smalltown rural Pennsylvania jazz club, and that ECM is finally releasing it; jazz fans and drummers are rejoicing yet again!

Mark Griffith, Modern Drummer

 

Besonders war das Trio. Neben Gary Peacock, dem ständigen Bassisten seines Standards-Trios, war am Schlagzeug nicht der gewohnte Jack DeJohnette, sondern Paul Motian, der Drummer von Jarretts altem American Quartet von vor sechzehn Jahren. ‘So war das gleichzeitig eine Art reunion und eine Jamsession’, jedenfalls eine besonders gelöste Veranstaltung vor kleinstem, aber aufmerksamstem Publikum. Ungewöhnlich war schliesslich, dass an eine Veröffentlichung dieser Musik ursprünglich nicht gedacht war. Erst als Jarrett sie hinterher hörte, fand er: ‘Das muss veröffentlicht werden … Ich denke, da hört man, what Jazz is all about.’ 1994 erschien das Album ‘At the Dear Head Inn’, wie immer bei ECM. Nun eben, dreissig Jahre später, ein zweites Album aus jenem glücklichen Abend mit weiteren acht Standards. […] What Jazz is all about: Musik von gleichzeitig ungewöhnlicher Entspanntheit und Präzision.

Peter Rüedi, Weltwoche

 

Große Musik von drei der Größten.

Gabriel Aniol, Jazzpodium

 

Mit ihm im Standards-Rausch: Gary Peacock am Bass und Paul Motian (nicht wie gewöhnlich Jack DeJohnette) am Schlagzeug. 30 Jahre nach der ersten CD-Veröffentlichung kommen nun weitere Ausschnitte dieses Konzerts heraus – mit zauberhaften Soli und Momenten des intuitiven Zusammenspiels. In den Uptempo-Nummern ist das Trio ein Kraftpaket.

Tilman Urbach, Stereo

The freshly released album Taking Turns by Jakob Bro with Lee Konitz, Bill Frisell, Jason Moran, Thomas Morgan and Andrew Cyrille is welcomed by reviewers in the US and Germany

 

While Bro composed all of the songs on ‘Taking Turns’, it is less of a solo showcase and more of a warm, deeply interactive group collaboration. These are spare, hypnotic songs, but ones that are punctuated by moments of bright harmonic colorations. Bro and Frisell are particularly compatible, their lines often intertwining against each other like wind chimes in a soft breeze. Similarly, Moran, Morgan, and Cyrille offer their own textural undercurrents, as hushed piano chords shimmering against brushed cymbals and woody bass grooves. At the center of their sun-dappled interplay is Konitz, whose dusky, bittersweet alto lines have, as with all of ‘Taking Turns’, the quality of sunlight breaking through clouds after a storm.

Matt Collar, All Music

 

Das Album hat es in sich, setzt der höchst vital agierende Andrew Cyrille (dr) doch so viele rhythmische Akzente (Anspieltipp: ‘Haiti’), dass Konitz im Verbund mit Jakob Bro und Bill Frisell (g), Thomas Morgan (b) und Jason Moran (p) gar nicht umhinkommt, aktiv am kollektiven Storytelling teilzuhaben. Das Generationequintett verräumlicht die weit gezogenen, Gelassenheit verströmenden Linien von Bro in eindrücklich vielfältiger Manier. Konitz blüht auf.

Wolfgang Gratzer, Jazzpodium

 

Was Jakob Bro mit seiner Gitarre anstellt, ist kein hypervirtuoser Zauber. Seine Spezialität sind asketische, täuschend einfache Melodien, in denen stets etwas Liedhaftes mitschwingt – nicht umsonst spricht Bro gerne von ‘Songs’. Das Zusammenspiel dieser sechsköpfigen Gruppe klingt gleichermassen schwebend, luftig – und intensiv. Dabei wird seinen Mitspielern keinerlei Zurückhaltung abgefordert – fast wie von selbst entwickelt sich, Stück für Stück, ein mitunter impressionistisches, an innerer Dynamik enorm reiches, Klanggewebe. […] Eine allgegenwärtige, hellwach schwebende, Aufmerksamkeit verhindert bei allen Beteiligten von ‘Taking Turns’, den Rückgriff auf vertraute Muster,  ob bei Bros’ langjährigem Bassgefährten Thomas Morgan, oder bei dem erstmals in diesem Kreis anwesenden Pianisten Jason Moran. […] Der Zen-Lehrer Suzuki Shunryu  schrieb einmal, das die Möglichkeiten eines Anfängers zahlreich seien, die eines Experten dagegen nur begrenzt. ‘Taking Turns’ fasziniert auch deshalb, weil allen beteiligten Musikern dieses Gespür eines immer neuen Nullpunkts nie abhanden kommt. Jakob Bro inszeniert – mit Gitarre,  Notenpapier, ureigener Klangsprache und kollektiver ‘Entdeckungslust’ –  poetisch verzweigte Abenteuer voller Tiefgang!

Michael Engelbrecht, Deutschlandfunk

A German reaction to the album Samares by the Colin Vallon Trio

 

Das Besondere am Sound dieses Trios: Seine Musik klingt auf der einen Seite zauberisch sinnlich; auf der anderen Seite zeigt sich darin ein fast wissenschaftlich nüchterner Sinn für Konstruktion. Die Musik des Colin Vallon-Trios, das ist sowas wie Gefühlsarchitektur. […] Das Colin Vallon Trio klingt nicht wie das übliche Jazz-Pianotrio von nebenan. Thema, Impro, Thema oder auch die Aufteilung in Solist und Begleiter – solche konventionelle Binnengliederung gibt es hier kaum. […] Noch ein Beispiel für die besondere Spielhaltung im Colin Vallon Trio ist der Umgang mit Rhythmen. Sie sind oft kleinteilig, ungerade und vertrackt, wenn man mal mit der akustischen Lupe rangeht und mitzuzählen versucht. Tritt man aber mal einen Schritt zurück, dann werden sie gleichsam überwölbt von einem größeren rhythmischen Ungefähr, das sich fühlen lässt und das einen lebendigen, atmenden Gesamteindruck ergibt. Auch dafür ist ein Spiel ohne Egos nötig, von allen Dreien. Diese Drei, das sind neben Colin Vallon in diesem wunderbaren Trio Patrice Moret, Bass und Julian Sartorius, Schlagzeug.

Odilo Clausnitzer, Deutschlandfunk

To The Rising Moon by Stephan Micus is reviewed in a German music magazine

 

Gleich das Eröffnungsstück zeigt ihn an der zwölfsaitigen kolumbinaischen Tiple-Gitarre, deren zwei Stimmen er aufeinander schichtet. Auf ‘Dream Within Dream’ wird er sechs indische Dilruba parallel verwenden, auf ‘The Veil’ drei Sattar streichen, auf ‘In Your Eyes’ zu drei Tiple in fiktiver Sprache singen. In ‘Waiting for the Nightingale’ stellt er einen ganzen Stimmenchor neben eine Batterie aus Sattar, Dilruba, Flöten und Zithern, hält das Stück aber erstaunlich schlank. Wie überhaupt alles denkbar geradlinig und denkbar kompakt daherkommt, zumeist ist in unter fünf Minuten alles gesagt, was es zu sagen gab. Aufs erste Hören ist’s schnörkelloser Balsam, aufs zweite mehr. Dass ‘To the Rising Moon’ trotz konzentrierter Kürze eine mystische Qualität offenbart, ist nur eines der Wunder hier.

Adam Olschewski, Jazzpodium

A German reviewer on Yuuko Shiokawa and Sir András Schiff’s recording of works by Johannes Brahms and Robert Schumann

 

Die ganze Welt der Romantik ist in diesen beiden Werken zu erleben. All die Sehnsüchte und der Hang zur Weltflucht, all das innere Tosen und dann wieder die Suche nach dem Glück im (zitierten) Volkslied. Mit beiden Komponisten kennt sich András Schiff blind aus, wie er mit seinen vielen Solo-Einspielungen bewiesen hat. Und auch als Kammermusiker erweist er sich zusammen mit Yuuko Shiokawa als erste Wahl. Aus einem Guss musizieren sie miteinander. Was sich nicht nur klanglich, sondern vor allem in der gemeinsamen Sichtweise auf diese vom Ausdruck her äußerst klippenreichen Werke angeht. Shiokawa und Schiff laden hier nichts mit ‘falscher’ Erregtheit und Fiebrigkeit auf. Vielmehr gelingt ihnen die genaue Balance zwischen kostbar sinnlicher Expressivität, bei dem etwa Schumanns Satzbezeichnung ‘Einfach, leise’ beim Wort bzw. Ton genommen wird, und einer nachdenklich anmutenden Bewegtheit (3. Satz beim Brahms). Dabei kann man zudem über die spieltechnische Sorgfalt und das gestalterische Spektrum dieses Duos nur staunen

Guido Fischer, Rondo

The new recording of Ludwig van Beethoven’s Piano Concertos by Alexander Lonquich with the Münchener Kammerorchester is acclaimed in a German monthly

 

Aufregend ist diese Aufnahme nicht, weil sie revolutionär Neues böte, sondern, weil sie den Blick für viele Details eröffnet: Intimes, Reibendes, Plötzliches. Lonquich zeigt Beethoven anfangs in der Nachfolge Mozarts, dann I seiner immer deutlicher werdenden Emanzipation. Sein Anschlag ist entsprechend flexibel und beredt, das Orchester ein jederzeit wacher Partner, der oft munter-kammermusikalische Dialoge zu führen bereit ist.

Christoph Vratz, Stereo