28.04.2023 | Reviews of the week

Reviews of the Week

The album Three or One by Fred Thomas is acclaimed in Bach-Magazin, the biannual journal of the Bach Archive

 

Auch auf seinem Erstling beim berühmten ECM-Label bleiben seine Bearbeitungen für Klaviertrio von insgesamt 19 Orgelchorälen – darunter zwölf aus dem ‘Orgelbüchlein’ erstaunlich nahe und respektvoll an den Vorlagenund führen doch zu so manchen unerwarteten Entdeckungen und wirklich neuen Hörerfahrungen. […] Die kasachische Geigerin Aisha Orazbayeva und die britische Cellistin Lucy Railton liefern jeweils schlanke, weitgehend vibratolose, mitunter fahle Linien; damit war angestrebt, einen ‘Sinn für Stille’ zu erzielen, den Thomas als in der Bachschen Musik als hervorstechende Eigenschaft erkennt. Und in der Tat gelingt es den drei Musikern, eine häufig meditative Stimmung zu evozieren, die fernab von Hektik und Klangrausch ihre eigene Poesie entfaltet. Der Labelchef Manfred Eicher hat die vorliegende Reihung der zum Teil schon älteren Aufnahmen vorgenommen und einen Block geschaffen, in dem Thomas solistisch einzelne Arien aus Bachs Kantaten  für das Klavier eingerichtet hat. Auch bei diesen Transkriptionen wahrt er eine (auch pianistische) Eleganz und Sensitivität,die viele ’Wahrheiten’Bachs offenzulegen scheinen. Er entdeckt quasi hinter den Bachschen Noten eine Welt des seelenvollen Traumes, die mit ihren poetischen Bildern entzückt und mit ihrem ruhigen Gestus das Heute vergessen macht. […] Gerade diese Schlichtheit und innere Ruhe macht die gesamte CD zu einem an-und aufregenden Hörerlebnis.

Reinmar Emans, Bach-Magazin

A German magazine on the new recording of works by Bartók, Casken and Beethoven played by Thomas Zehetmair, Ruth Killius and the Royal Northern Sinfonia

 

Man stelle sich vor, es gäbe auf der Welt auch nur eine Liebhaberin moderner Musik, die diese jüngste ECM-Aufnahme von Thomas Zehetmair des Doppelkonzertes von Casken wegen erstünde und so, aus Versehen, zum ersten Mal in ihrem Leben mit Beethovens Fünfter Sinfonie in Hörkontakt käme. Es wäre eine gute Einführung: knackig, zügig, dramatisch und von der Royal Northern Sinfonia in etwas anonymer Weise ganz exzellent gespielt. In dem Konzert von 2014, dessen Live-Abbildung diese jetzt herausgegebene CD ist, war Beethoven vielleicht das traditionelle Zuckerl für ein inzwischen schon gewagte Programmierungen gewöhntes Publikum. Auf CD ist es nicht so klar, was das sinfonische Schlachtross hier macht. Das Resümee Zehetmairs Arbeit mit dem Orchester sollte es darstellen. Nun, das tut es dann doch auf beeindruckende Weise.

Jens F. Laurson, Crescendo

French and German reviewers on Sir András Schiff’s recording of music by J.S. Bach on the Clavichord

 

Le son du clavicorde possède un charme qui ne tarde pas à agir, une foisl’écoute acclimate à son caractère intime et feutré. Aucune pédale ne permet de noyer d’éventuelles imprecisions das un confortable flou sonore, et la façon dont s’exerce la pression du doigt sur la touche permet de chercher d’autres types d’effets. Cela autorise bien des explorations, et Schiff s’y livre avec un mélange d’absolue rigueur et de plaisir communicatif […] La puissance limitée du clavicorde ne l’empêche pas d’offrir une polyphonie joyeuse et bien fournie.[…] l’expérience, menée par un disciple de Bach tel qu’András Schiff, al’immense mérite d’enrichir le paysage sonore des mélomanes.

Sophie Bourdais, Télérama

 

Man muss sich in den speziellen Klang der kurzen Töne ein wenig einhören, auch Schiff bekennt in den Liner Notes des Albums, dass er seine Zeit benötigte, bis er mit dem Instrument warm wurde. Doch dann ist man schnell gefangen von Schiffs souveränem und vituosem Spiel, seiner sicheren Phrasierung und seiner musikantischen Spielfreude. Die kommt in den kleinen Inventionen ebenso zum Tragen wie in der großartig interpretierten ‘Chromatischen Fantasie und Fuge’.

Mario-Felix Vogt, Pianist

The new album Vagabond by Dominic Miller is reviewed in Switzerland and Germany

 

Mit seinen Partnern, seinem langjährigen Bassisten Nicolas Fiszman, dem schwedischen Pianisten Jacob Karlzon und dem Schlagzeuger Ziv Ravitz, gelingen ihm Erzählungen mit grossem Atem; weite Landschaften, welche die Fantasie des Hörers zu gelassenen Spaziergängen mit betörenden Ausblicken einladen. Das erinnert gelegentlich an musikalische Tableaus des Impressionismus: immer schön, aber nie ohne Spannung in Raum und Zeit […] Bezaubernd ist das subtile Geflecht im Zusammenspiel der vier Partner, zumal das zwischen Millers Gitarre und Karlzons Piano. Die beiden bestehen den Hochseilakt, der die Begegnung von zwei Hamonieinstrumenten immer ist, mit Brillanz und Grazie. Jeder öffnet hier dem anderen die Räume, und alle zusammen dem Hörer.

Peter Rüedi, Weltwoche

 

Diese Einspielung ist nicht nur ein Stück entspannter, im Kleinen sphärischer Klangkunst eines dezenten Virtuosen und Bandplayers –  sie ist auch eine Bereicherung des ECM-Katalogs […] Man kann jedem dieser Künstler wie auch dem Produzenten und Engineer der Aufnahme bescheinigen, hier ganz Großartiges geleistet zu haben. Denn selten habe ich ein so plastisches, mit der Musik harmonisierendes Sound-Design erlebt, das jedem instrumentalen Beitrag seinen Raum gibt, um so ein lebendiges, zartes Ganzes zu ermöglichen. Sensibilität, Interaktion, Schönheit, Tiefe machen diese Musik aus.

Lothar Trampert, Jazzthetik

A German reaction to It’s Always Now by the Ralph Alessi Quartet

 

Überall fasziniert Alessi mit einer spezifischen, wiedererkennbaren Klangrede, deren eloquente Phrasierung vom flüssigen Parlando bis zum konsternierten Gestammel reicht. Gleichzeitig ist sein Ton oft hochkantabel und immer auch ein wenig kratzig aufgeraut. Große Soli auch für Weber in den Centertracks, dem polyrhythmischen Swing von ’His Hopes, His Fears, His Tears’ und dem synkopierten ‘Hanging by a Thread’, kubistisch dann ‘Everything Mirrors Everything’. Konzept und Freiheit, Komposition und Eingebung, Abstraktion und Improvisation in Einklang gebracht.

Harry Schmidt, Jazzthetik

Italian and German media on the solo guitar album At First Light by Ralph Towner

 

Ralph Towner ha da pochi giorni compiuto i suoi ottantatré anni quando ci apre la porta della sua casa romana per raccontare dell’ultimo nato, «At First Light», il venticinquesimo album per ECM, con la quale festeggia le nozze d’oro, cinquant’anni di fedeltà a un’idea di suono e di promozione musicale, un legame pressoché unico nel panorama discografico contemporaneo. Il suo è il racconto di una coerenza tetragona alle seduzioni di ogni scorciatoia mainstream, specchio di una biografia artistica che ha trovato nella polifonia chitarristica una delle forme espressive più originali della teoria compositiva. È in quel legno e nelle sue corde che Towner costruisce il proprio universo creativo; è lì che la complessità delle forme musicali rivela sé stessa alla ricerca di armonici, silenzi, voci, contrappunti, fughe che moltiplicano le possibilità di soluzioni armoniche e melodiche nel loro dispiegarsi dentro il tempo. Sembra di essere, ascoltando la sua musica, dentro quel racconto in cui Kafka sogna di essere un indiano in corsa obliqua col suo cavallo, senza le redini, senza speroni, senza neanche testa e collo dell’animale: a Towner non sono necessari ulteriori elementi orchestrali se non un tocco di polpastrello e le derivate risonanze possibili.

Paolo Romano, Musica Jazz

 

Was für ein Kosmos! Elf Stücke, bis auf drei alles Eigenkompositionen. Schon im ersten, ’Flow’, öffnet sich ein ganz weiter Raum. Ein besonderes Highlight unter den Eigenkompositionen ist ‘Fat Foot’. In diesem Stück geht Towner nach 35 Sekunden lyrischer Einleitung in einen unwiderstehlichen Groove: ein bezwingendes Voranschreiten eines akkordischen Themas, das Towner immer wieder mit freien Einwürfen konterkariert. Mit einem Puls, der ständig präsent ist, auch wenn Towner ihn gerade nicht weiterspielt. Eine ganz hohe Kunst des musikalischen Atems und der rhythmischen Elastizität. Ein anderes Meisterstück des Albums ist Towners Interpretation der irischen Folkmelodie ‘Danny Boy’. Sie klingt wie eine dreieinhalb minütige melancholische Erzählung in ungemein klaren und und dennoch stark beseelten Klängen; jede Melodiephrase wie ein Satz in einer gesprochenen Erzählung, mit Betonungen, leisem Innehalten und schillernden Ausschmückungen.

Roland Spiegel, Jazzthetik

An Italian reaction to the album Pasado en claro by Anders Jormin with Lena Willemark, Karin Nakagawa and Jon Fält

 

Un orizzonte sonoro dall’atmosfera cangiante e resa coerente grazie a un segno timbrico che viene arricchito dal carattere fonetico – tra lingue e dialetti che profumano di folk – evocato dalla calda espressività vocale della Willemark, completato con pregnante affinità dal contrabbasso di Jormin, i cui interventi conferiscono una caratterizzazione più jazzistica ad un impasto strumentale attraversato da screziature dal sapore elegantemente etnico.

Alessandro Rigolli, La Gazzetta di Parma

An Italian magazine on Drifting by Mette Henriette

 

Mette Henriette. Nuova rivelazione della feconda scena improvvisata norvegese, la sassofonista è anche in assoluto una delle musiciste più interessanti nel panorama del jazz europeo di oggi. E, a più di sette anni dal folgorante debutto per casa ECM, la giovane tenorista fa il bis con «Drifting» (…) L’album si articola in poco meno di tre quarti d’ora di musica, suddivisi in una quindicina di brani diversi per durata e per atmosfera, ma tutti ad alto tasso d’intensità e di emozione.

Ivo Franchi, Musica Jazz

A German reaction to the new guitar solo album El ultimo aliento by Zsófia Boros

 

Klar, schön, flüssig und voller Farben ist das Spiel der ungarischen Gitarristin Zsófia Boros. Ihre nuancierten Phrasierungen verraten das sichere Gespür für Melodien und ihre dehnbaren Wirkungen. Das war bereits auf den beiden Vorgängeralben für ECM Records (‘Local Objects’ und ‘En otra Parte’) so. Auf den insgesamt elf Stücken von ‘El último aliento’ gelingt es ihr aber noch einmal pointierter, ihre Klasse herauszuarbeiten. […] Die Stücke sind getragen von einer vitalen Melancholie, die bei aller Handgreiflichkeit auch etwas entrücktes, unwirkliches hat. Duplessys ‘De rêve et de pluie’, das dieses Album eröffnet, ist ein Paradebeispiel dafür. Flirrend und fließend ist die Begleitung, löchrig und spärlich die Melodie. Gemeinsam ergibt sich so beim Hören derselbe Effekt, wie wenn man lange in die Flammen eines lodernden Feuers schaut. […] Boros schafft es ganz mühelos, über die komplette Spielzeit zu bannen und zu überraschen. Und so ist dies das bisher reifste und ausdrucksstärkste Album dieser so talentierten wie eigensinnigen Musikerin.

Sebastian Meissner, Sounds and Books

US and German reviewers on the album Stravaganze Consonanti by Gianluigi Trovesi and Stefano Montanari

 

Whether you listen devotedly to the old masterworks or have a penchant for music by Chick Corea or Keith Jarrett, ‘Stravaganze consonanti’ will make your ears sing. Each composition is handled with care as if a fine piece of craftsmanship—which they are, of course. In all, Montanari and Trovesi have produced a project that navigates music boundaries of homage and heritage while exploring new sounds and ideas. As in Trovesi’s past projects (like ‘In cerca di cibo’), there is a playfulness paired to a serious study of music and its various forms out in the world. This release is a stunning example of passionate musicians doing what they love, sharing this love with listeners in a way that will enamor ears and hearts.

Konstantin N. Rega, Spectrum Culture

 

Wie flexibel und lebendig ein klassisches Ensemble agieren kann, zeigt das neue Album von Gianluigi Trovesi. Darauf fügt sich der Klarinettist in Stücken von Purcell, Dufay und anderen in eine Gruppe von Spezialisten für Alte Musik unter Leitung des Barockgeigers Stefano Montanari ein und heißt diese umgekehrt in seiner Musik willkommen. Ein Sonderlob verdient Arrangeur Corrado Guarino, der Trovesis Kompositionen meisterlich in die barocke Klangwelt einpasst und eine faszinierende Synthese zwischen den Epochen schafft, in der beide Seiten mit großer Spielfreude aufeinander zugehen und reihenweise bezaubernde Momente schaffen. Wie Trovesi mit klagendem Klarinettenton die menschliche Stimme ersetzt, ist bewegend.

Guido Diesing, Jazzthetik

A Short Diary by Sebastian Rochford with Kit Downes is reviewed in a German magazine

 

Persönlicher geht’s nimmer: Der Schlagzeuger Sebastian Rochford nimmt Abschied von seinem verstorbenen Vater. Von den Drums ist nicht allzuviel zu hören, dafür dringt umso eindringlicher das Klavier von Rochfords Duo-Partner, Kit Downes, ins Gehör. Oft sucht Downes weniger die Klangfülle  des Instruments in Gänze abzubilden, als ihr Flüstern. […] So entstehen Klanglandschaften,die stilistisch kaum zu definieren sind, sich irgendwo zwischen Jazzidiom und Klassik bewegen. Es ist erstaunlich, wie es ihm gelingt, jenseits bekannter Klänge und eingefahrener Hörgewohnheiten ein Gefühl für Raum und Zwischenraum zu vermitteln.

Tom Fuchs, Piano News

An early German reaction to the new vinyl-reissue of  Naná Vasconcelos’ Saudades within the newly launched Luminessence series

 

‘Saudades’ war einer dieser nicht wiederholbaren, freigeistigen Momente, wie sie nur ECM einzufangen imstande ist.

Carsten Sandkämper, Mint