02.06.2023 | Reviews of the week

Reviews of the week

Swiss and US reviewers on the solo guitar album At First Light by Ralph Towner

 

Towner wie immer? Keineswegs im Sinn von Routine. Dies ist dichte, inspirierte Gitarrenmusik, frisch und original wie alle von ihm davor […] ‘At First Light’ wurde im Februar 2022 an einem von Manfred Eicher bevorzugten Ort aufgenommen, im Auditorio Stelio Molo von RSI in Lugano, einem Raum von geradezu magischer Intimität, ideal für Towners ’conversations with himself.’ Die ziehen uns ganz hinein in sein Universum. In dem erscheint uns das Neue vertraut und das Vertraute neu. Komponiertes klingt wie spontan entstanden, Improvisiertes wie umsichtig geplant. Und die klassische Gitarre so, als hätte sie die Natur selbst erfunden.

Peter Rüedi, Weltwoche

 

From the opening cut, his composition ‘Flow’, the majority of the music has the feeling of classical guitar music – not jazz (although jazz fans will hear a faint echo of ‘Naima’ in the opening measures of ‘Strait’), not blues, not folk, but music very much in the classical guitar vein. Yes, they’re a couple popular tunes and a traditional favorite included in the set list, but Towner does not play these in an overtly popular style. Instead, he plays them in more of a restrained way so that although the familiar notes are there, they blend right in with his more thoughtful, classical approach. […] The album ends with the reflective sounds of ‘Empty Stage’, a piece that ends enigmatically, leaving the listener longing for more. Ralph Towner was 82 at the time he made this recording, bringing a lifetime of lived experience into the studio with him to record alongside his trusted producer of more than 50 years, Manfred Eicher. The two old friends have produced a gem.

Karl Nehring, Classical Candor

The new album Our Daily Bread by Joe Lovano’s Trio Tapestry is acclaimed by US, French and German media

 

With each of his Trio Tapestry albums, it feels like saxophonist Joe Lovano is trying to strip his playing and the group’s sound down to its most essential elements. On their third album, 2023’s ‘Our Daily Bread’, he takes this approach even further, turning each song into what feels like a prayer. Once again joined by pianist Marilyn Crispell and drummer Carmen Castaldi, Lovano doesn’t so much improvise with his bandmates as commune with them, crafting songs that have the atmosphere of a dark room meditation and other times the quiet warmth of a friendly front porch conversation […] There’s also ‘One for Charlie,’ Lovano’s unaccompanied tribute to Charlie Haden where his tenor seems to evoke the legendary bassist’s own focused artistry. Toward the end of the album, the trio offer ‘Rhythm Spirit,’ whose structure is built around an improvised line from Lovano, a musical mantra that Crispell and Castaldi answer with their own affirmations. The song, as with much of ‘Our Daily Bread’, feels like a sacred call and response.

Matt Collar, All Music

 

U ténor qui tutoie les sommets. […] Traversé d’ un souffle puissant et fragile, en équilibre sur une crête mélodique à l’écart de toute facilité, empreint d’une forme d’évidence tout en demeurant mystérieux et insaississable: du grand Lovano!

Pascal Rozat, Jazz Magazine

 

Die Musik lebt vom Raum, vom Nachschwingen der Klänge und von den Pausen und Brüchen zwischen den Noten. Die Offenheit dieses basslosen Trios, das ohne grundierende Tiefen auskommt, ermöglicht es den drei Musikern in großer Ruhe zu agieren. Entspannte Klarheit und Ökonomie der Mittel prägen das Geschehen. […] Denn darum geht es hier allen Ernstes: die selbstverständliche Kommunion zwischen drei Musikern – das tägliche Brot, ein Lebensmittel für Körper und Seele. ‘Grace Notes’ sind die ornamentalen Vorschläge zu den Hauptnoten im Notentext – aber natürlich zielt der Songtitel ebenso auf die Gnade und die Anmut, von der die Performance dieser drei Altmeister ein beredtes Zeugnis ablegt.

Michael Bossong, Jazzpodium

 

Die Reise des Trio Tapestry durch reizvolle musikalische Landschaften setzt sich fort. Auch auf dem dritten Album ist der Zauber nicht verblasst. Er stellt sich schon im Intro ‘All Twelve’ ein, den die Pianistin mit filigranen Motiven anschlägt. Ähnlich faszinierend klingen das mit hypnotischen Gongklängen einsetzende ‘Grace Notes’ und die elegischen Tenorsax-Chorusse in ‘One For Charlie’, einer bluesigen Solo-Hommage an den Bassisten Charlie Haden. ‘Rhythm Spirit’ verwandeln der Leader und der Drummer in ein poesievolles rhythmisches Manifest.

Gerd Filtgen, Fono  Forum

German and Austrian reactions to the album Eventually by the Jacob Young Trio

 

Jacob Young hat lange nichts mehr von sich hören lassen […] Das längere Interim scheint ihm aber gut getan zu haben. Denn seine Songs scheinen nicht nur ein breiteres Klangspektrum auszufüllen, sie wirken auch akzentuierter. Dazu trägt natürlich maßgeblich die Rhythmusgruppe bei. Gerade Kleive ist ein Meister der Akzentuierung. Und Eilertsen hat schon an der Seite Tord Gustavsens bewiesen, dass er der ideale Trio-Bassist ist. ‘Eventually’ erweist sich als ein introvertiertes Album von philosophischer und musikgeschichtlicher Tiefe, mit dem Jacob Young in die vorderste Reihe der an Gitarristen nicht gerade armen norwegischen Jazz-Szene vorrückt.

Wolf Kampmann, Eclipsed

 

Vieles klingt vertraut, in Kombination mit Mats Eilertsens sattem Kontrabass ergibt sich aber ein vollkommen eigenständiger Sound: balladeskund elegant, mit zartem Punch. […] Im Alter von 52 Jahren hat der Gitarrist womöglich einen Genreklassiker aufgenommen.

Jan Paersch, Jazzthing

 

‘Eventually’, Titeltrack und Eröffnungsstück in einem, macht gleich klar, mit wieviel Gespür und mit welch feiner Klinge die drei Norweger die klassische Gitarre-Bass-Schlagzeug-Konstellation auszuloten gedenken. Obwohl Jacob Young schon seit dreißig Jahren seine Saitenkunst auf Alben presst, ist das verwunderlicherweise seine erste Trio-Produktion. […] ‘Mats und Audun machen mir das Improvisieren leichter – das ist eine ihrer gemeinsamen Fähigkeiten. Sie lassen andere Leute besser klingen’, erklärt Young und lässt seinen Mitstreitern in den neun, ein breites Spektrum an Stimmung abdeckenden Eigenkompositionen entsprechend viel Raum zur freien Entfaltung. […] wie bei seinem erfolgreichen 2015-er Album ‘Forever Young’ mit Trygve Seim und dem Wasilewski Trio setzt Jacob Young auch bei ‘Eventually’ nicht auf das Plakative, auf die große Geste, sondern auf in ausgereifter Feinarbeit realisierte einprägsame Melodien, raffinierte Harmonien und variantenreiche Rhythmik. Ein wahrer Hörgenuss zum Relaxen.

Peter Füssl, Kultur

An Austrian music magazine on the new guitar solo album El ultimo aliento by Zsófia Boros

 

Allein die Stücke ‘De Rêve Et Depluie’ (Duplessy) und ‘El Abrazo’ würden reichen, um zu zeigen, dass Zsófia Boros ihr Instrument auf sensationelle Weise beherrscht. Ihre rechte Hand scheint geradezu über die sechs Saiten zu fliegen, sie nur mit einer leichten Brise anzuschlagen, ohne sie gar zu berühren. Diese absolute Kontrolle über das leise Ende des Dynamikspektrums macht sie so wiedererkennbar. Denn im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Aussschläge ins andere Extrem der Wucht eines anschwellenden Orchesters in nichts nachstehen […] Bereits auf ‘Local Objects’ war mit ’Nocturne’ eine hinreißende Interpretation eines Duplessy-Stücks enthalten, die Beziehung zwischen der Interpretin und der Musik des Komponisten scheint sich seither aber noch ungemein vertieft zu haben. Das kürzeste Stück des Albums, ’Berceuse’, ist einer der Höhepunkte dieser Symbose. In 2 Minuten und 23 Sekunden stecken tiefe Melancholie und sprühende Hoffnung, auf die Zuhörenden übertragen durch präzise eingesetzte Crescendi und Decrescendi, abgestimmt auf einen Zugang zu Tempo wie Ebbe und Flut.

Xavier Plus, Concerto